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PSOE: Dissidenten unerwünscht

Erfolg des kritisierten PSOE-Vizepräsienten Guerra auf dem Parteitag der Sozialisten in Madrid  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Wer sich bewegt, kommt nicht mit aufs Foto“ — dieses alte Leitmotiv der spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE galt auch beim 32.Parteitag, der am vergangenen Wochenende in Madrid stattfand. Formal ging es auf dem Kongreß um das neue Parteiprogramm mit dem Namen „Programm 2000“, doch wesentlich interessanter — und auch für die Entwicklung der Partei wichtiger — war das Personenkarussell, das bereits Wochen vor dem Parteitag in Gang gesetzt worden war und erst mit den Wahlen für die beiden Führungsgremien am Wochenende wieder stillstand.

„Meckerer raus“, hieß die Devise, und im Exekutivkomitee, dem höchsten Leitungsgremium der Partei, dessen Mitgliederzahl von 23 auf 31 angehoben wurde, fand denn auch keiner derjenigen Platz, die sich in den vergangenen Monaten eines Verstoßes gegen die Parteidisziplin schuldig gemacht hätte. Weder Wirtschaftsminister Carlos Solchaga noch Erziehungsminister Javier Solana oder der Minister für Öffentliche Verwaltung Joaquin Almunia, die in der jüngsten Vergangenheit eine Öffnung der PSOE für interne Debatten gefordert hatten, wurden in den erlesenen Kreis der Führungskräfte aufgenommen, und als ob es noch eines Beweises dafür bedurfte, daß die Partei in ihrer eisernen Disziplin fortzufahren gedenkt, wurden erstmals keine Mitglieder des linken Flügels Izquierda Socialista in das zweitwichtigste Gremium, das Föderalkomitee, gewählt. Verantwortlich dafür war Vizegeneralsekretär Alfonso Guerra, der Mann des Apparats und Schatten des Premierministers Felipe Gonzalez. Seit Monaten schwirren Gerüchte über einen baldigen Abtritt von Alfonso Guerra als Vizepremierminister, da sich sein Bruder Juan in Sevilla mit Hilfe eines öffentlichen Dienstraums und seiner guten Connections zur Macht in wenigen Jahren aufs Heftigste bereichert hat und ihm die Justiz auf den Fersen ist. Doch eine Sache ist in Spanien die öffentliche Meinung und eine andere eine höchst ausgeprägte Aussitzfähigkeit aufgrund einer parlamentarischen Mehrheit. Auf dem Kongreß, der mit Ausnahme der Anfangs- und Endzeremonien hinter geschlossenen Türen durchgeführt wurde, erntete Alfonso Guerra stehende Ovationen.

Der programmatische Teil des Parteitags löste weniger Dissens aus und klopft im wesentlichen die Praxis der sozialistischen Regierung fest. Hervorzuheben wäre allenfalls die Aufhebung der Pflicht aller PSOE-Mitglieder, gleichzeitig auch Mitglied der sozialistischen Gewerkschaft UGT zu werden — eine Konsequenz aus der Entfremdung zwischen beiden Organen. Ab jetzt dürfen PSOE-Mitglieder zwischen der Mitgliedschaft in irgendeiner „sozialen Bewegung“ wählen.

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