Chancenlose über Chancengleichheit

■ Der Paritätische lud KandidatInnen zur Podiumsdiskussion

“Herr Klein, wieviel Geld haben Sie eigentlich im Portemonnaie?.“ Die Eingangsfrage von Moderator Klaus Schloesser ließ den Bundestagskandidaten teif in die Tasche greifen und förderte gleich drei Portomanaies zutage. Einstieg in die Podiumsdiskussion des Paritätische Wohlfahrtsverband zum Thema „Sozialpolitik unter der Lupe“ im Bürgerzentrum Vahr. In die Bütt gingen für die SPD Susi Möbbeck und Jutta Kellermann-Hoppensack, für die CDU Michael Theiser und Günter Klein, für die Grünen Walter Ruffler und Ursula Cords sowie Andreas Klein und Merve Pagenhardt für die FDP. Mit Ausnahme von Günter Klein lauter „Chansenlose, die über Chancengleichheit reden“, stellte Schloesser fest. Die Kandidaten mit den aussichtsreichen Listenplätzen waren an diesem heute Abend woanders.

Weder Thema noch Besetzung sprachen für einen spannenden Abend. Doch Schloesser ging den KandidatInnen mit den Themen Armut, Wohnungsnot und Pflegerisiko derart persönlich an die Wäsche, daß es teilweise gelang, den konventionellen Rahmen einer Podiumsdiskussion zu durchbrechen und ellenlange Statements zu verhindern. Den Redefluß von Günter Klein war allerdings bisweilen nicht immer stoppen.

Also, CDU-Kandidat Klein hatte knapp 150 Mark und etliche Schillinge in der Tasche und wußte auch, daß InsassInnen eines Altersheims mit diesem Taschengeld einen ganzen Monat auskommen müssen. Sein Kollege Teiser erntete viele Lacher, als er zugeben mußte, daß seine Tätigkeit als Politiker lasse ihm leider kaum Zeit, seiner Frau im Haushalt „mitzuhelfen“. Einkaufen gehe er auch kaum, denn er kenne die Preise nicht. Auch die Höhe des Sozialhilfesatzes kannte er nicht, wußte aber immerhin, daß es am letzten Samstag zuhause Erbsensuppe zum Abendessen gegeben hatte.

Selbst schon von Sozialhilfe gelebt hatte FDP-Kandidat Andreas Jordan. Er sei mit der Sozialhilfe ausgekommen und wäre damals „eher in den Hafen gegangen und hätte Säcke geschleppt“ als seine Freunde anzupumpen. Die persönliche Erfahrung konnte ihn nicht dazu bewegen, sich für eine familienunabhängige Grundversorgung einzusetzen, im Gegenteil: er sang das liberale Lied der Familiensubsidiarität.

Zum Buhmann des Abends beim Publikum machte sich Günter Klein. Ärger und Wut erregten die Schilderungen des Christdemokraten aus seiner harten Studenten-und Referendarszeit, vor allem aber sein Zwischenruf an eine Gruppe von Türken „Sie müssen gerade klatschen“, als ein Diskutant erklärte, die Armut sei von den etablierten Parteien gewollt. Kleins Vorschlag zur Aufbesserung des Sozialetats: Ausweisung aller „Scheinasylanten“ und Überführung aller „Sozialhilfebetrüger“.

Die Podiumsgäste von SPD und Grünen kamen mit den persönlichen Fragen besser klar. Als Jutta Kellermann-Hoppensack ihren Alltag mit zwei Kindern, Vollzeitjob und Politik schilderte, hatte sie die Sympathien auf ihrer Seite. Auseinandersetzungen gab es zwischen SPD und Grünen über die Grundsicherung, die nach Meinung von Cords und Ruffler von Oskar Lafontain gekippt worden sei. SPD und Grüne einerseits und CDU, FDP andererseits stritten ein bißchen über private oder gesetzliche Pflegeversicherung für die Altersversorgung. Und dann war nach zwei Stunden eine der momentan grassierenden Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl zuende.

asp