„Den BürgerInnen mehr Rechte“

■ Hearing der Grünen Bürgerschaftsfraktion / „Bürgerbeauftragte“ und Volksentscheid

„Mal kommt die Oma und wickelt aus einer Tüte das Soldbuch ihres Mannes aus dem ersten Weltkrieg, weil sie glaubt, zu wenig Rente zu bekommen. Mal kommt ein cleverer Unternehmer, der seinen Bauantrag nicht durchbekommt.“ Wenn Walter Mallmann aus Rheinland-Pfalz, der bundesweit einzige „Bürgerbeauftragte“, aus seinem Alltag erzählt, strahlt er unmißverständliche Direktheit aus und einen wuchtigen Charme: einer, an dem man nicht vorbei kommt. Und genau das will er: „Wir bohren nach bis zur Penetranz!“

„Mehr Rechte den BürgerInnen“, die sich Obrigkeit und Ämterwillkür oft machtlos ausgeliefert fühlen, wollen die Grünen in Bremen durchzusetzen versuchen. Deshalb gab es gestern ein Hearing mit Experten aus der Bundesrepublik, die Volksentscheid und -begehren und Bürgerbeauftragte diskutierten. Mallmanns Bilanz war imponierend: Rund 3.000 BürgerInnen kommen jedes Jahr in eine der 30 Sprechstellen. Sie ärgern sich über den Hundesteuerbescheid, über die zu große Mülltonne oder über Hausabriß. Ohne Formular, schriftlich oder mündlich können sie ihren Ärger mit Behörden und Ämtern loswerden, und Wallmanns „schlagfertiges Büro aus Juristen, Sachbearbeitern und Schreibkräften“ hat bei allen Behörden das Recht zur Akteneinsicht. Ergebnis: 1/4 aller Anfragen wurden positiv erledigt (“heißt: wenn die Behörde zuerst 'nein' gesagt hat, sagt sie dann 'ja'“), nicht mitgerechnet die 40% Auskünfte und Ratschläge.

Von besten Erfahrungen berichtete der Referent der bayerischen Grünen, Hartmut Bäumer, mit dem Volksentscheid: Um ein fortschrittliches Müllgesetz durchzusetzen, sammelte und bekam dort eine grünennahe Initiative für ein Volksbegehren 25.000 Stimmen und bekam im Begehren dann auch glatt mehr als die nötigen 800.000 Stimmen (10% der Wahlberechtigten). Als die CSU dann mit einem eigenen Gesetz herauskam, wurden beide im Volksentscheid abgestimmt, das grüne kam durch.

„Wir wollen Erfahrunmgen bündeln und eine Debatte führen“, begründete der Grüne Jurist Horst Frehe das Hearing. Eine am liebsten parteiübergreifende Initiative soll für eine „gesellschaftliche Mehrheit“ für Bürgerbeauftragte und funktionierenden Volksentscheid werben. „Unter über 100 europäischen Bürger-Beauftragten bin ich der einzige deutsche“, kritisierte Mallmann, der seins für das „schönste Amt im Lande“ hält. Er muß es wissen: Zuvor leitet er den Petitions-Ausschuß mit ähnlichen Zielsetzungen. Aber: „So ein Ausschuß fragt bei der Verwaltung an, warum sie so entschieden hat. Die begründet das natürlich. Ich aber kann richtig kontrollieren. Ich bin auf 8 Jahre gewählt und völlig unabhängig.“

Susanne Paas