„Nur wie ein längeres Manöver“

■ Garlstedter US-Garnison vor dem Abmarsch an den Golf / Von Angst und Abenteuer

„Oh, it's an adventure!“ Zwar versucht er es, aber so richtig überzeugend kommt dem US- amerikanischen Schülerlotsen in Kampfuniform seine Vorfreude auf den Einsatz am Golf dann doch nicht über die Lippen. „Saddam die Därme aus dem Bauch reißen“ und „amerikanische Stärke beweisen“, das will er, wenn er in einigen Tagen zusammen mit rund 4.000 weiteren GI's der Garlstedter Kaserne von Osterholz-Scharmbeck in die saudi-arabische Wüste verlegt wird. Aber ob er sich auf den Krieg wirklich vorbereitet fühlt? — „Keine Ahnung“. Immerhin: Seine Verwandten zu Hause in Wyoming werden für ihn beten. „Mehr können sie ja nicht tun“, meint der Soldat und lotst die nächste Schülergruppe über die Kreuzung.

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Soldaten mit

Netz vor dem Bauch

„Heilfroh“ ist dagegen die Ehefrau eines Stabsarztes, der das Glück hatte, als einer der ganz wenigen US-Soldaten in Garlstedt keinen Marschbefehl zu bekommen. „Alle haben Angst“, weiß sie von Nachbarn im US- Wohngebiet, „außer ein paar Super-Machos, aber die gibt es überall.“

Angst haben auch einige Mütter und Lehrerinnen, die vor der High-School auf den Bus warten — allerdings weniger vor dem Krieg am Golf als vor der Bremer Presse. Statt mit dem taz-Reporter zu sprechen, rufen sie lieber die Militärpolizei und einen hohen Offizier. „Alle Fragen werden nur vom Presseoffizier des Generals beantwortet“, behaupten die und wollen Ausweise sehen. Die Stimmung in der Truppe sei jedenfalls „gut“.

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Soldaten mit Armbinde „MP“

Doch die Lust zum Feiern ist den Vorgesetzten trotzdem vergangen: Das traditionelle Festessen zum Thanksgiving Day, das am Samstag zusammen mit den deutschen Honoratioren der Stadt verspeist werden sollte, ist kurzfristig abgesagt worden. Und der Presseoffizier ist den ganzen Tag nicht zu sprechen.

Noch im September waren lauthals alle Hinweise dementiert worden, die Garlstedter Nato-Kaserne solle bereits bis Ende 1991 geräumt werden. Jetzt passiert es sogar ein ganzes Jahr früher — allerdings in andere Richtung als erwartet: Am 1. Januar werden neben dem deutschen Wachpersonal nur noch rund 4.000 Ehefrauen und Kinder der an den Golf geflogenen US-Soldaten zurückbleiben.

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schwarzen Soldaten

mit schicker Uniform

und Plastiktüte

Fotos: Mauritia Hetzer

Nur so etwas wie ein „längeres Manöver“ sei die Verlegung der US-Division „Hell on Wheels“ an den Golf, hatte US-General Rutherford versucht, bei einem Empfang in der Lucius-D.-Clay- Kaserne den Angehörigen ihre Sorgen zu nehmen. Und auch der Osterholz-Scharmbecker Oberkreisdirektor von Friedrichs hält alle Spekulationen, daß die Verlegung an den Golf der endgültige Abzug aus Garlstedt sein könnte, für „aus der Luft gegriffen“, fügt allerdings hinzu: „Wir sind natürlich nicht das Pentagon.“

„Ein bißchen weniger Wasser, Abwasser, Strom, ein paar freiwerdende Wohnungen“ — auch Osterholz-Scharmbecks Stadtdirektor Erhard Mackenberg beurteilt den plötzlichen Abzug der US-Army aus Garlstedt ziemlich lapidar: „Ich mache mich da nicht verrückt.“ Natürlich seien die 8.000 US-Amerikaner in seiner Stadt schon ein „Wirtschaftsfaktor“, aber „bei dem niedrigen Dollarkurs haben sie in der letzten Zeit sowieso keine große Rolle mehr gespielt.“

Oberkreisdirektor von Friedrichs rechnet sogar noch günstiger: „Erstmal wird der Abzug der Soldaten, Panzer und der Umschlag des Nachschubs mehr Arbeit in die Region bringen.“ Und außerdem habe das Bonner Verteidigungsministerium schon seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, besonders betroffenen Branchen wie dem Gaststätten- und dem Taxigewerbe unter die Arme zu greifen.

„Das wäre jetzt die beste Zeit, einen Betriebsausflug zu machen“, meint Thomas Bradbury, Eigentümer einer Ladenzeile mit Auto-Verkauf, Video-Shop, Reisebüro und Reinigung wenige Meter vor der Einfahrt zur Clay- Kaserne. Aber weil das nicht geht, hat er sich eine neue Marketing-Strategie zurechtgelegt: „Schnell noch ein neues Auto für die Ehefrau, damit sie gut versorgt ist, wenn mir am Golf was zustößt“ lautet sein aktuelles Verkaufsmotto für die GI's.

Und lange Zeit werde die Garlstedter Kaserne sowieso nicht leer stehen. „Die kommen wieder“, ist sich Bradbury gewiß, „schließlich haben wir hier ein wunderbares modernes Krankenhaus für die Verwundeten vom Golf.“ Dirk Asendorpf