: Fair geht vor
■ DDR-Vertreter Weiskopf wird mit zwielichtigen Methoden als NOK-Kandidat weggeredet PRESS-SCHLAG
Am kommenden Samstag gibt's wieder ein Gesellschaftsereignis besonderer Art: feistes Krokodilslächeln, Händeschütteln zwischen Siegern und Besiegten, Danksagungen mit Hinterrücks- Greifreflex. Alles an historischem Ort, denn die offiziellen Vereinigung der beiden Deutschen Nationalen Olympischen Komitees (NOK) findet im prunkvollen Berliner Reichstag statt. Dort wird sich alles tummeln, was im deutschen Sport meint, dazuzugehören. Denn gerangelt wird um nichts geringeres als um die Macht: Mit der Stellenbesetzung des NOKs werden die Pfründe verteilt.
Natürlich wird dabei — wie überhaupt bei der Aufteilung des DDR-Sports — personell nichts dem Zufall überlassen. Nummer eins ist und bleibt mit Willi Daume der bisherige Westchef. Aber schon beim Vizeposten müßte in den sauren Ostapfel gebissen werden. Als Nummer zwei ist bislang der DDR-NOK-Präsident Joachim Weiskopf vorgesehen.
Was offenbar so manchem ein Dorn im Auge ist. Denn just fünf Tage vor der Vereinigung geht mit einem Mal die große Pressehatz gegen den 63jährigen Sportfunktionär los. Der Zahnarzt aus Leipzig, so entsinnt man sich plötzlich, hat in früheren Zeiten so manchem auf dem Nerv gebohrt: Als Präsident des Deutschen Kanusport-Verbandes war er zwischen 1970 und 1990 für Repressalien und Schikanen gegen Sportler verantwortlich.
Man denke nur an den Fall Jürgen Eschert: der Olympiasieger flog 1971 aus der Nationalmannschaft, weil er ungeheuerlicherweise einen US-Pullover getragen hatte. Weiskopf: „Viele Fälle haben mir weh getan. Ich gebe zu, es sind Dinge passiert, mit denen ich nicht einverstanden sein kann. Es ist Unrecht begangen worden.“ „Persönlich schuld“ sei er jedoch nicht.
Der 'Spiegel‘ enttarnt den Mann mit der „keimfreien Weste“, der den DDR-Sport sauber in die BRD geleiten sollte, in Wahrheit als eine „DDR-Altlast“. Zweifellos: Meister Proper hat Dreck am Stecken. Richtig auch, daß in der Geschichte des deutschen Sports immer wieder Sportführer mit zwielichtiger politischer Vergangenheit ans Ruder zurückkehrten. Unbestritten, daß es gilt, dies zu verhindern.
Eigentümlich mutet jedoch der Zeitpunkt an. Denn zum NOK- Chef gewählt wurde der als „willfähriger Parteigehilfe durchaus bekannte“ ('Spiegel‘) Mann bereits am 16. Juni 1990. Keiner, nicht einmal die wohlwissende DDR- Presse, erhob damals die investigative Stimme. Begründung heute: Totschweigen wollte man den Ungeliebten.
Da schleicht er hoch, der Zweifel. Ist das ganze Spektakel um Weiskopf nur eine neue Variante, um Ost-Vertreter aus dem NOK zu schubsen? Beflissentlich versucht West-NOK-Generalsekretär Walther Tröger diesen Eindruck zu vertuschen: „Jeder, der angegriffen wird, hat zunächst das Recht auf Verteidigung.“ Und: „Wenn es keine Beweise für schwerwiegende Verfehlungen gibt, ist allein ausschlaggebend, daß er ein NOK repräsentiert, dessen Führung auf demokratische Weise gewählt wurde. Diese Legitimation wiegt zunächst sehr schwer.“
Komisch nur, daß außer „zunächst“ und „Demokratie“ kein Wort fällt, das Weiskopf wirklich helfen würde. Die Erkenntnis beispielsweise, daß in der Ex-DDR die ehrenamtlichen Präsidenten nichts als repräsentierende SED-Marionetten ohne Machtbefugnis waren. Immer war in der Aufgaben- Verteilung eines DDR-Verbandes der Generalsekretär der entscheidende Mann gewesen. Er war der verlängerte Arm des Staates und der Partei. Die sportpolitischen Entscheidungen fielen immer auf ganz anderer Ebene. miß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen