Das Modell

■ 200 der etwa 800 Beschäftigten haben bisher zugegriffen

Eigentlich hätten die Köpenicker Bootsbauer ihren Betrieb lieber ganz in eigene Regie übernommen. Aber in den Diskussionen mit der „Treuhand“ stellte sich Mitte des Jahres heraus, das derartige Experimente in der neuen Zeit nicht gern gesehen sind. Man einigte sich schließlich auf einen 50-Prozentanteil für die Belegschaft. Die anderen 50 Prozent hält nach wie vor die „Treuhand“, die nach einem solventen Käufer Ausschau hält.

Rund 200 Beschäftigte haben vor Beginn der Währungsunion und der damit verbundenen 2:1-Abwertung ihrer Ersparnisse die Gunst der Stunde genutzt und Anteile ihres inzwischen zur GmbH umgewandelten Betriebes erworben. In den vorangegangenen Diskussionen war ein Modell erarbeitet und auf einer Betriebsversammlung beschlossen worden, wonach die Beschäftigten je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit und Durchschnittsverdienst in vier Gruppen eingeteilt wurden.

Je nach Gruppenzugehörigkeit hatten die Beschäftigten Anrecht auf den Erwerb von Anteilen in Höhe von 1.000, 2.500, 5.000 oder — in der höchsten Stufe 10.000 Mark. Insbesondere für die langjährigen Belegschaftsangehörigen mit zum Teil 40jähriger Beschäftigungsdauer sollte damit ein Anreiz geschaffen werden, sich am „eigenen“ Unternehmen zu beteiligen. Natürlich, wird in der Yachtwerft betont, sei mit dem Besitz von Anteilen auch das Eigentümerrisiko verbunden — ein Umstand, der zum Beispiel die westdeutschen Gewerkschaften bisher bei entsprechenden Experimenten immer zurückhaltend reagieren ließ. Sie argumentieren, das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitnehmer sei schon gravierend genug, und fürchten für den Fall des Konkurses, daß die Arbeitnehmer am Ende nicht nur arbeitslos, sondern auch noch hochverschuldet zurückbleiben.

Tatsächlich gibt es bei der Yachtwerft im Konkursfall den „vollen Durchgriff“ auf die Belegschaftsteilhaber. Vielleicht haben deshalb nur rund 200 der insgesamt 700 bis 800 Beschäftigten tatsächlich zugegriffen. Diese aber haben nun über ihre Gruppenvertreter in der Gesellschafterversammlung einen Einfluß auf die Geschäftsführung, wie ihn sich westdeutsche Betriebsräte nur erträumen. Sie können sowohl den Aufsichtsrat wie auch die Vorstandsmitglieder gleichberechtigt mitbestimmten und auch über die Verwendung des Betriebsgewinns mit entscheiden. Martin Kempe