Belegschaftsmodelle sind wenig erwünscht

■ Treuhandzentrale sträubt sich gegen die Übernahme von Firmen durch die Beschäftigten/ Sanieren nur Westbosse richtig?

Berlin (taz) — Nein, ein generelles Mißtrauen gegen Belegschaftsmodelle gebe es bei der Ostberliner Treuhandanstalt nicht, erklärte der Treuhandsprecher Thomas Schneider gegenüber der taz. Aber natürlich müßten solche Modelle genau so wie alle anderen Verkaufsprojekte an westliche Unternehmer genau auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hin geprüft werden. Und da stellten sich häufig Zweifel ein, die zu einer Ablehnung von Belegschaftsmodellen durch die Treuhand führten.

Der Leiter der Erfurter Außenstelle der Treuhand, Wolfgang Lindstaedt, schließt sich dieser skeptischen Bewertung der Belegschaftsmodelle nicht an. Die wichtigste Aufgabe der Ostberliner Treuhandanstalt und ihrer Außenstellen, so die Sprachregelung, sei die Privatisierung von ehemals volkseigenen Betrieben. Erst an zweiter Stelle sollten die oft nicht konkurrenzfähigen Betriebe saniert werden.

Aber weil die Zurückhaltung der westlichen Investoren und Aufkäufer nach wie vor groß ist, geht Lindstaedt davon aus, daß es für viele durchaus wettbewerbsfähige Betriebe in der ehemaligen DDR keine Käufer geben wird. Er regte deshalb an, mehr als bisher die Übernahme von Betrieben durch die Belegschaft zu fördern. Zur Finanzierung biete sich die Möglichkeit, von Kreditgarantiegemeinschaften eine Bürgschaft gegenüber der Bank abzugeben. Auf diese Weise könnten viele Betriebe privatisiert werden, die sonst unverkäuflich wären.

Belegschaftsmodelle als Ausweg aus dem Dilemma der Treuhand, die eine ganze Volkswirtschaft veräußern soll und dafür nicht genügend Interessenten findet? Die bisherige Praxis bestätigt den Verdacht, daß die Treuhand die Bestrebungen vieler Belegschaften, sich selbst zum Eigentümer ihrer Betriebe zu machen und aus eigener Kraft ihre Arbeitsplätze über die Krise zu retten, eher blockiert als fördert.

So hatte ein Teil der Belegschaft der Hoch-, Tief- und Montagebau GmbH Plauen einen Versuch gestartet, den ehemals volkseigenen Betrieb im Wohnungsbaukombinat Karl-Marx-Stadt in eigene Regie zu übernehmen. Verkaufverhandlungen mit einem westdeutschen Bauunternehmer waren zuvor gescheitert. 33 Beschäftigte hatten sich bereiterklärt, sich mit einem Mindestanteil von 1.000 DM an der Gründung einer Gesellschaft zu beteiligen. Viele von ihnen brachten sogar ihre privaten Grundstücke als Sicherheiten ein, um einen Kredit der Deutschen Bank für die Übernahme zu erhalten. Eine von einem westdeutschen Unternehmensberater ausgefertige DM-Eröffnungsbilanz wurde der Treuhand in Chemnitz ebenso vorgelegt wie ein Investitionsplan über insgesamt 10 Millionen DM.

Aber die Treuhand legte sich in einem Bescheid von Anfang November erst einmal quer. Die Berliner Treuhandzentrale verlange die Aufnahme einer Nachbewertungsklausel in den Kaufvertrag, hieß es. Die beantragte Entschuldung des Unternehmens müsse zu einer Erhöhung des Kaufpreises führen. Und schließlich gehöre ein Grundstück des Betriebes nicht zur Firma. Die Entscheidung über den Antrag der Beschäftigten steht nach wie vor aus.

Auch die Yachtwerft Berlin GmbH, ein mittelständischer Werftbetrieb mit durchaus günstigen Entwicklungsprognosen, durfte das geplante Belegschaftsmodell zur zum Teil verwirklichen (siehe heutige taz, Seite 13). Ursprünglich hatten die Bootsbauer den Betrieb zu hundert Prozent in eigene Regie übernehmen wollen, erlaubt wurden ihnen jedoch nur 50 Prozent. Immerhin haben sie sich mit diesem Anteil weitgehenden Einfluß auf die Geschäftspolitik gesichert.

Genau da sieht die Treuhand ein großes Problem. Nachdem die alten SED-Manager aus den Betrieben verjagt worden sind, haben in vielen Betrieben Geschäftsführungen mit Einwilligung der Belegschaft das Ruder übernommen. Diese aber zeichneten sich zwar durch eine glaubwürdige Sorge um die Arbeitsplätze, nicht aber unbedingt durch unternehmerische Kompetenz aus. Wenn durch Belegschaftsbeteiligungen der Einfluß der Beschäftigten auf die Geschäftspolitik festgeschrieben werde, würden westliche Unternehmer abgeschreckt. Martin Kempe