Besetzer wurden regelrecht verladen

■ Magistrat zögerte Vertragsverhandlungen immer weiter heraus und schürte damit nur Räumungsangst

Die schweren Straßenschlachten zwischen Hausbesetzern und der Polizei in den letzten beiden Tagen sind nicht nur die Lust am Krawall — große Teile von Ost-Berlins Hausbesetzerszene sind verbittert darüber, wie sie von Ost-Berlins Stadtregierung über den Verhandlungstisch gezogen worden sind. Als Anfang dieses Jahres massenhaft Häuser, überwiegend Altbauten in den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Lichtenberg, besetzt wurden, war die politische Handlungsbereitschaft der Regierenden noch ganz anders: Im April erklärte die Volkspolizei auf Beschluß des Runden Tisches, die Häuser würden nicht geräumt.

Ende Juni bildeten Besetzer ein „Vertragsgremium besetzer Häuser“, in das Bewohner von 87 besetzten Häusern 15 Delegierte wählten. Dieses Gremium sollte möglichst geschlossen auftreten und Nutzungsverträge für die Häuser erkämpfen. Mit Nutzungsverträgen könnten die Mieter selbst entscheiden, wer in ihren Häusern wohnen soll.

Anfang September versprach dann der Magistrat für 87 Häuser Rahmenverträge. Für andere Häuser waren Einzel- oder Nutzungsmietverträge erkämpft worde. Geräumt werden sollten die Häuser, die nach dem 24. Juli besetzt worden waren. Damals beschloß der Magistrat die sogenannte West-„Berliner Linie“. Das 1981 von dem damaligen Regierenden Bürgermeister Hans- Jochen Vogel (SPD) entwickelte Konzept, Hausbesetzungen zu verhindern, wurde vorgestern zum ersten Mal in Ost-Berlin in die Tat umgesetzt: Im Prenzlauer Berg und in Lichtenberg räumte die Polizei die drei Häuser, die im September besetzt worden waren.

Nun sind seit dem Versprechen, alle 87 Häuser legalisieren zu wollen, über zwei Monate vergangen. Doch Rahmenverträge jedoch gibt es immer noch nicht. Inzwischen will nicht mehr der Ostberliner Magistrat, sondern sollen die Bezirke der Stadt unmittelbar mit den Instandbesetzern verhandeln.

Doch so viele unterschiedlichen Bezirke es gibt, so viele unterschiedlichen Meinungen sind auch zum Umgang mit Hausbesetzungen vorhanden. In Lichtenberg zum Beispiel hieß es, „Besetzungen sind illegal“, in Friedrichshain hingegen vermittelte der Bürgermeister zwischen Besetzern und der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft.

Schließlich sollten die 15 Delegierten zustimmen, die nach dem 24. Juli besetzten Häuser zu räumen und Neubesetzungen zu verhindern. Diese Idee kommentierte eine Delegierte: „Hier scheint der Magistrat unseren Einfluß absichtlich zu überschätzen.“

Dirk Wildt