Herz über die Hürde geworfen

■ Erste maßgebliche Stimmen zur Abdankung Tobias Richters als Bremer Generalintendant, einschließlich seiner eigenen

Daß Tobias Richter, Generalintendant des Bremer Theaters, nach Ablauf seines Vertrages im Sommer 1992 Bremen verlassen will, das empfinden, scheint es, alle Beteiligten als eine glimpfliche Lösung. Unklar ist allerdings noch, welcher Probleme.

Denken kann man sich jetzt viel. Geht Fricsay auch? Wer noch? Wer zählt die Köpfe, füllt die Lücken? Geht Richter frank und freiwillig? Oder hat, wie eine Person des kulturellen Lebens im Schutz der Verschwiegenheit mutmaßt, hat Andreas Fuchs, der Aufsichtsratsvorsitzende der Theater-GmbH, ihn einmal beiseite genommen und so eine Lösung mit Glimpf dringend vorgeschlagen? Hat sich daraufhin Richter an den Schreibtisch gesetzt und, am 11. Oktober, bei eben dem Herrn Fuchs seine Demission eingereicht? Wir haben ein wenig in den Hallen der Kultur herumtelefoniert.

Tobias Richter selber will vor der höchstrichterlichen Aufsichtsratssitzung am 4. 12. nicht zur Sache aussagen, aber sein Schreiben, das sagt er doch, war kein „Warnschuß, sondern ein reiflicher Entschluß“. Sein „Optimismus“ hier, sagt er, war „am Ende doch ganz schwach“, zumal die Stadt es an der nötigen Unterstützung für das Theater immer noch arg fehlen lasse. Ist er nicht, wie immerfort angegriffene Personen zu sein pflegen, langsam mürb und waidwund? „Angriffe?“ Da muß er laut lachen. „Von Ihnen, ja, von der taz!“. Sonst, ach, keiner seiner Vorgänger habe es ja leicht gehabt. Da soll man also hier theatermäßig „in der obersten Bundesliga mitspielen und hat doch bloß eine Regionalliga-Ausstattung. Da kann man, wissen Sie, Highlights nur ganz punktuell landen.“ Und einsam, nein bewahre, vereinsamt ist er auch nicht, „nur müde, ja sogar saumüde jetzt“, nach all dem Ärger und der Umbauerei.

Wenig später meldet sich, über Autotelefon, Andreas Fuchs, Chef erstens der Senatskanzlei und zweitens der Theater-GmbH. Warum hat er dem Intendanten fünf Wochen lang nicht geantwortet? Hat er das Schreiben nicht ernstgenommen? „Doch. Im übrigen haben wir hinterher lange telefoniert. Aber wenn ein Brief so eindeutig ist...“ Und jetzt? Nun ja, „Richters Intendanz lief dann über sieben Jahre, das ist eine angemessene Zeitspanne“. Ein, zwei Jährchen hätte er ihm „schon noch gegönnt“. Jetzt, nach diesem Schritt, „den ich durchaus bedaure“, will Fuchs, nicht eben ein Fachmann für Theaterintendanten, sich unter Beachtung „der Situation am Markt“ um die Thronfolge kümmern.

Wobei die Zeit schon ziemlich drängt, spricht Horst-Werner Franke, emeritierter Kultursena

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den Glatzkopf

tor, von seinem Austragshäuschen her. „Wahnsinnig schwierig“, für Richter, der vieles ja „gut gelöst“ habe, einen zu finden, der auch noch „in die Spar- Reorganisation des Theaters einwilligt und mit seinen Einnahmen die Umbaukosten abstottert.“

Am Apparat von Andras Fricsay meldet sich seine Assistentin Claudia Weinzierl: „Fricsay ist nicht zu sprechen, der ist tatsächlich wirklich krank.“ Und sonst, die Neuigkeiten haben für sie, sagt sie, „nichts Schlimmes. Wir müssen nicht unbedingt noch zehn Jahre hierbleiben.“ Da stutze ich doch. Wir? Ist denn schon klar, daß Fricsay auch geht? „Jaja, das ist klar für uns. Andras hängt nicht sehr an Positionen, ich auch nicht. Wenn's drauf ankommt, kann ich auch als Kellnerin arbeiten.“

Werner Alfke, persönlicher Referent des derzeit unerreichbaren Kultursenators Henning Scherf, ist „überrascht“. Wovon? Richters Stuhl wackelte doch längst? „Nun, daß der Entschluß von ihm gefaßt worden ist.“ Demzufolge ist er nicht sehr traurig? „Der Mann hat sicherlich Verdienste, aber ich persönlich werde ihn nicht halten. Einer, der so einen Brief schreibt, hat doch wohl sein Herz auch schon über die Hürde geworfen.“ Und Richters Klage über mangelnde Unterstützung? „Das kann nicht nur eine Frage der Finanzen sein. Hübner war doch auch, um im Bild zu bleiben,

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den Mann

mit Schnäuzer

Bundesliga-Spitze, wenn nicht Tabellenführer.“

Uta von Sohl, Souffleuse, hält größere Gemütsbewegungen im Bremer Ensemble, dem sie seit 16 Jahren angehört, für unwahrscheinlich. „Uns geht es ja nur ums Theater, wir sind da alle diszipliniert.“ Was wünscht sie sich denn von Richters NachfolgerIn? „Ach, Wünsche!“ Wo die neue Intendantengeneration, wie sie sagt, aus „knallharten Kulturmanagern“ besteht, ohne Ohr für des Ensembles Puls sozusagen. Und Richter? „Wissen Sie, er hat eine wahnsinnsschwere Situation hier gehabt. Aber er ist ja noch sehr jung.“ Glaubt sie, daß ihm der Abschied schwerfallen wird? „Das weiß ich nicht. Aber er ist ja eher ein kalter Theatermacher.“ Manfred Dworschak