Sechzig Jahre und ein bißchen weise

■ Der Verleger Klaus Wagenbach bekommt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und nimmt es an

Berlin. Klaus Wagenbach bekommt das Bundesverdienstkreuz. Bekommt es nicht nur, sondern nimmt es auch. (Man bekommt es auch nicht, wenn man signalisiert, daß man es nicht will. Der Vorschlag kam übrigens nicht aus Berlin, sondern aus Bonn, vom Präsidenten selbst.) Die Meldung des Pressedienstes Berlin, »Aktuelles aus Senat und Magistrat«, die gestern auf dem Redaktionstisch landete, löste in dieser Zeitung eine gewisse Heiterkeit aus, nicht zuletzt wegen der Begründung.

Dort heißt es: »Auf der Basis Ihres gesellschaftlichen Anspruchs und wegen des freundschaftlichen Verhältnisses zu den Autoren konnte sich der Verlag zu einem Sprachrohr der außerparlamentarischen Opposition in den Umbruchjahren von 1967 bis 1973 entwickeln, denn dazu mußte der Verleger sein Ohr nahe an die aktuellen politischen Vorgänge halten. In den Reihen ‘Quartheft‘ und ‘Rotbuch‘ holten sich die Studenten von damals ihr theoretisches Rüstzeug...«

Der Ordensträger betrachtet die Sache gelassen: Das Bundesverdienstkreuz sollen nicht nur Reaktionäre bekommen. Allerdings, räumt er ein, hinge es mit den Personen zusammen, die es überreichen: von Walter Momper und Richard von Weizsäcker nahm er es gern, von Karl Carstens und Eberhard Diepgen hätte er es nicht genommen. Und daß es dasselbe Stück Blech bleibt, und daß die Gesellschaft, in der er sich als Träger desselben befindet, mit Ausnahmen problematisch ist? »Das kommt ja überhaupt nicht infrage, daß ich den Staat diesen Figuren überlasse!« Heinrich Böll nahm den Orden an, Günter Grass lehnte ihn ab — »für beide Haltungen gibt es gute Gründe. Ich habe immer darauf bestanden, daß dieser Staat auch mein Staat ist. Und die Gesellschaft von Heinrich Böll — die gefällt mir; ich sympathisiere mit der milden katholischen Seite. Ich bin jetzt sechzig, da sollen sie mir das Blech umhängen, und dann hat sich die Sache.«

Man interviewt nicht umsonst einen Dialektiker: Im Handumdrehen war die Staatsfixiertheit der taz das Thema des Gesprächs. Denn über das fünfundzwanzigjährige Jubiläum dieses Verlages haben wir nicht berichtet, zum Geburtstag haben wir nicht gratuliert... Aber wenn es einen Orden gibt, dann melden wir uns sofort!

Die taz ist Klaus Wagenbach zutiefst verpflichtet: In der Einrichtung der 'Zeitungskritik‘ — Außenstehende, dem Projekt freundlich verbunden, üben eine Woche lang Kritik — leistete er Legendäres, und noch heute wird auf den Gängen hin und wieder gemurmelt: Wann kommt Klaus Wagenbach noch mal und zeigt uns, wie man's macht? So tragen wir an dieser Stelle wenigstens die herzlichsten Glückwünsche nach: Zum Jubiläum und zum Geburtstag. es