Recht haben reicht nicht

■ „Der Rosengarten“ — ein Film von Fons Rademakers

Es gibt Filme, die es sich zum Prinzip machen, ihre Ernsthaftigkeit mit ernsten Themen immer wieder voller Ernst zu beteuern, und Der Rosengarten ist einer davon. Er handelt von der unbeglichenen Schuld eines Nazi-Henkers und handelt dennoch nicht davon. Denn er ist viel zu überzeugt von seiner Courage, ein so schwieriges Thema aufzugreifen.

Die Vergangenheitsbewältigung beginnt mit einem tätlichen Angriff. Ein Unbekannter verstrickt sich in die Justiz eines ihm nur zu bekannten Landes. Auf dem Flughafen attackiert ein älterer Mann aus heiterem Himmel einen Fluggast und fügt ihm ernsthafte Verletzungen zu. Der Mann mit einer KZ-Nummer auf dem Arm hat einen Grund für sein Tun, doch er nennt ihn nicht. Auch die Rechtsanwältin Gabriele Schlüter-Freund (Liv Ullmann), die das Mandat für den schweigsamen Fremden übernimmt, stößt auf eine Mauer des Mißtrauens.

Nach und nach schlittert die engagierte Strafverteidigerin von einem Fall von Körperverletzung in die Aufarbeitung eines lange zurückliegenden NS-Verbrechens. Statt ihres Mandanten Aaron Reichenbach sitzt plötzlich der Ankläger selbst auf der Anklagebank. Denn Reichenbach hat auf dem Flughafen den SS-Obersturmführer Arnold Krenn mit seinem Angriff daran gehindert, sich ins Ausland abzusetzen. Von der Staatsanwaltschaft verhöhnt, von seiner Verteidigerin ermutigt, erzählt Reichenbach dem Gericht unter Tränen, daß Krenn seine Schwester Rahel auf dem Gewissen hat, die mit zwanzig anderen Kindern zu medizinischen Experimenten im KZ mißbraucht wurde und die Krenn anschließend hinrichten ließ, um alle Spuren zu verwischen.

Die Konstruktion von Fons Rademakers ist geschickt, doch er nutzt sie nicht. Ein KZ-Opfer auf der Anklagebank, weil es nicht nach den Maßstäben der geltenden Rechtsordnung gehandelt hat und deshalb schuldig ist. Und ein Nazi, der sich schuldig gemacht hat, nie zur Verantwortung gezogen wurde und nun auf die Gerechtigkeit pochen kann. Eine Konstellation, die es ermöglicht hätte, die nicht gesühnte Schuld des Nazis zu diskutieren, ohne ihn gleich als unverbesserlichen Schurken darzustellen.

Das Problem ist nicht die Behauptung, daß Justitia auf einem Auge blind ist, wenn es um die Strafverfolgung von NS-Verbrechen geht. Das Problem ist, wie plakativ der Film mit dieser Wahrheit verfährt. Er gibt sich mit einer Darstellung zufrieden, die Unrechtes unrecht und Rechtes recht erscheinen läßt. Der Film wirkt wie eine Schlagzeile. Nazis unter uns. Der ehemalige SS-Kommandant Krenn hat einen verkniffenen Gesichtsausdruck mit herabgezogenen Mundwinkeln — Altnazi eben. Die Rechtsanwältin und ihre Tochter werden mit Drohanrufen belästigt, und, wie soll es anders sein, eine Schmierparole „Judenfreund“ ziert die Hauswand, bevor einige Szenen später ein Stein durchs Fenster der redlichen Rechtsanwältin fliegt.

Je mehr der Film sich bemüht, Ekel gegenüber dem alten und dem neuen braunen Denken zu erzeugen, um so hilfloser wirkt er. Fons Rademakers versucht, aufrichtig zu sein. Und weil er unbedingt Recht behalten will gegenüber einem Rechtssystem, das eine Verfolgung der NS- Verbrecher längst für überflüssig hält, wirkt der Film halsstarrig. Ähnlich wie der Nazi, der ebenso verbissen sein Recht in Anspruch nimmt. Eine fatale Ähnlichkeit. Sie versperrt den Weg zu einer angemessenen Erinnerung. Der Rosengarten, den Schulkinder angelegt haben, damit das Schicksal der zwanzig getöteten Kinder unvergessen bleibt, ist trostlos und verlassen. Auch Fons Rademakers hat nicht den Blick gehabt für seine Geschichte und das Leben in der Erinnerung. Christof Boy

Der Rosengarten. Regie: Fons Rademakers. BRD 1989. Mit Liv Ullmann, Maximilian Schell, Peter Fonda.