Tausend und zwei Töpfe

■ Filmförderung für Regisseure aus der sogenannten ehemaligen DDR

Die taz berichtete am 25.Oktober — womöglich zu versteckt —, daß bei der Ausschreibung eines Extra-Einreichtermins für Antragsteller auf Fördermittel aus dem Beitrittsgebiet gravierende Unterlassungssünden begangen wurden: Der Termin war nicht ausreichend bekanntgemacht worden. Zur Sprache gekommen war diese böse Überraschung bei den Deutschen Filmtagen in Hamburg, wo die Schar von Ex- DDR-Filmemachern vielleicht ein letztes Mal zusammentraf, ganz am Rande, bei „Was machst denn du?“ — „Wie geht's, wie steht's?“ (einer Frage, die kaum mehr etwas von einer Floskel hat).

Hier stellte sich heraus, daß diese Angebot — es ging immerhin um 3,5 Millionen Mark sogenannter Anschubfinanzierung für projektgebundene ostdeutsche Filmförderung, von der Defa Studio Babelsberg GmbH als strukturfördernde Maßnahme oder auch mißverstandene Akquisition „gefahren“ wurde, weshalb man die Sache erstmal für sich behielt, damit sie ja in der Familie bleibt. Die einen wurden informiert, reichten fleißig ein (auch mit der technischen Hilfe der Studios) — die anderen nicht, und so verstrich der Termin...

Ein Tag vor Einsendeschluß meldete ihn die (Ost-) 'Berliner Zeitung‘, worauf man in Babelsberg sogar sauer war. Einige Projekte hatten nämlich schon Fernsehzuschläge in petto, so daß hier „im Falle eines positiven Bescheids“ faktisch wieder mal TV und nicht Film gefördert würde. Wolfgang Gersch, der Filmbeauftragte des Beitrittsgebiets, versprach vehement nachzuhaken, doch seine Intervention in Bonn blieb genauso wirkungslos wie die der taz. Antwort aus dem BMI: Es lägen mehr als vierzig Einsendungen vor — für alle Unterkategorien (Spiel-, Dokumentar-, Kurz-, Aktionsfilm), und das sei doch erfreulich viel.

Spätestens an dieser Stelle lohnt es sich, noch einmal hineinzuhorchen in die Semantik des Wortes Filmförderung: Es handelt sich hierbei um die Ausschreibung öffentlicher Mittel, und selbst wenn es 400 Einsendungen gewesen wären: Solange einige potentielle Antragsteller (und es waren nicht wenige) — ob nun gezielt oder nicht — de facto ausgeschlossen bleiben, kann wohl kaum von einem seriösen Verteilungsverfahren öffentlicher Subventionen die Rede sein. Zudem ist diese Praxis alles andere als ein vertrauensbildender Einstand in ohnehin kaum überschaubare neue Rituale.

Aber vielleicht klingt auch schon der Begriff „Filmförderung“ irreführend, impliziert er doch so etwas wie ein Mäzenatentum, die Vergabe von Hilfe an Bedürftige nach Art von Seh- oder Geh-Hilfen, an sonst in ihrer Berufsausübung Behinderte. Wäre es nicht besser, von Filmfinanzierung aus Steuergeldern zu sprechen? Dann kämen weder Anspruchsdenken, Abhängigkeitssyndrome noch Dankbarkeitskomplexe auf. So gesehen bleibt unverständlich, wie man in Bonn mit dem Verweis auf eine erfreuliche Zahl von Einsendern den Topf, von dessen Öffnung wahrlich zu viele nichts wußten, beharrlich zuläßt — das sichert denen, die es „geschafft“ haben, vorsortierte Chancen, Chancen in einem verzerrten Wettbewerb.

Oder ist dies schon das gefürchtete Wolfsgesetz? Dagegen deutlich ausgeschrieben für alle und auch entsprechend publik gemacht werden dieser Tage zwei neue Töpfe: Der eine steht im Film-Fonds Hamburg bis zum 31.Januar 1991 offen und belohnt die fünf originellsten Ideen für lange Spielfilme unter dem nicht sonderlich originellen Motto „Geschichte(n) unzersiert“, skizziert auf maximal zehn Seiten, mit einer Drehbuchförderung von 20.000 Mark. Gefragt sind ausschließlich Autoren aus den „fünf neuen Bun... und dem ehem. Ost-Berlin“.

Der andere Topf enthält 150.000 Mark für den wiederum originellsten Dokumentarfilmzugriff aus dem Osten auf NRW und steht in Mülheim an der Ruhr bis zum 20.November offen, sozusagen im Gegenzug für die massive filmische Landnahme des Beitrittsgebiets durch Chronisten aus dem Mutterland. Auf den ersten Blick keine schlecht Idee, auf den zweiten fragt man sich jedoch, an wen sie sich richtet: an die bisherigen Dauergäste von Oberhausen, denn die waren wenigstens schon mal vor Ort — oder an die gänzlich Unbeleckten, die im Ruhrgebiet, Fallschirmspringern gleich, zum ersten Mal und genauso unvorbereitet landen würden wie in Australien oder auf dem Mond? Dietmar Hochmuth