Südafrikas Staatsverbrechen bleiben ungesühnt

Untersuchungskommissionen, die sich mit Morden an Oppositionellen und Polizeimassaker in Sebokeng befaßten, legten Berichte vor  ■ Aus Johannesburg Tim Murphy

Die südafrikanischen Streitkräfte haben über Jahre ein Geheimbüro betrieben, dessen Aufgabe es war, Oppositionelle zu beschatten und einzuschüchtern. Einige der Attentate, in die diese als „Ziviles Kooperationsbüro“ (CCB) bekannte Spezialeinheit verwickelt gewesen sein soll, wurden an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Unter den weiter zu ermittelnden Fällen befinden sich zwei Morde, drei Mordversuche, ein Bombenanschlag auf einen Treffpunkt in Kapstadt sowie eine Brandstiftung.

Ehemalige CCB-Mitarbeiter dieser Spezialabteilungen hatten Ende letzten Jahres erste Untersuchungen durch öffentliche Bekenntnisse ins Rollen gebracht. Die Ein-Mann-Untersuchungkommission von Richter Louis Harms hatte in ihrem am Dienstag abend veröffentlichten, 201 Seiten starken Abschlußbericht bestätigt, das CCB habe als Unterabteilung der südafrikanischen Streitkräfte fungiert und sich selbst ermächtigt, seine Opfer „anzuklagen, zu verurteilen und zu bestrafen“. Gegen mindestens zwölf Personen werde wahrscheinlich Anklage erhoben. Der Großteil der Vorwürfe gegen das CCB und die Polizei bleiben jedoch weiter im Dunkeln — etwa der Mord an dem Johannesburger Akademiker David Webster und Dutzende weitere Attentate, die Südafrikas Sicherheitskräften zugeschrieben werden.

Der Komissionsbericht schließt nicht aus, daß das CCB weit über das festgestellte Maß hinaus gehandelt hat, enthält aber keinerlei Empfehlungen für den Umgang mit den Verantwortlichen. Präsident de Klerk beeilte sich sofort nach der Veröffentlichung mit der Feststellung, er sehe „keinen Grund, die verantwortlichen Politiker zu verurteilen“, und forderte Südafrikas Öffentlichkeit auf, den Blick nunmehr „in die Zukunft zu richten“. Zugleich kündigte er sehr allgemein eine generelle Überprüfung der Politik verdeckter Spezialoperationen der Streitkräfte an.

Verteidigungminister Magnus Malan erklärte, nur eine kleine Gruppe von fünf oder sechs Personen innerhalb des CCB habe ohne Autorisierung von oben illegal gehandelt. Es sei „ganz klar“, daß er für diese Operationen „nicht verantwortlich“ sei, so Malan. Die Streitkräfte seien aus der Untersuchung „ehrenhaft hervorgegangen“. Auch Innenminister Adriaan Vlok zeigte sich tief befriedigt über die Ermittlungen der Kommission. Mit bitterer Enttäuschung reagierten Liberale, Menschenrechtsaktivisten wie auch der ANC auf den Harms-Bericht. Selbst die rechtsradikale Konservative Partei, sonst allzeit zur Verteidigung von Polizei und Militär bereit, konstatierte, in jedem anderen Land „wäre Malans Kopf gerollt“. Der ANC rügte insbesondere, daß es der Kommission verwehrt wurde, „Hunderte von kriminellen Operationen“ in den Nachbarstaaten Südafrikas zu untersuchen — Morde, Schießereien, Entführungen, Bombenanschläge und Einbrüche. Die liberale Organisation „Black Sash“ erklärte, solange nicht die ganze Wahrheit über Polizei und Militär ans Licht käme, gebe es keine Möglichkeit, ein neues Südafrika ohne Mißtrauen und Wut zu schaffen.

Eine weitere Untersuchungkommission hatte zuvor einen Bericht zu einer Polizeiaktion im März dieses Jahres im Township Sebokeng veröffentlicht, bei der zwölf Menschen getötet und 281 verletzt worden waren. Die Kommission befand eindeutig, daß die Polizei grundlos und ohne Vorwarnung in die Menge gefeuert hatte und viele Polizisten darüberhinaus eine Gleichgültigkeit über die Folgen ihres Tuns an den Tag legten, „die keine Polizei tolerieren sollte“. Doch der zuständige Generalstaatsanwalt weigert sich bis heute, gegen die eindeutig identifizierten Täter vorzugehen.

Eine dritte Kommission, die in den vergangenen Monaten einen Spionagering des Stadtrates von Johannesburgs durchleuchtet hatte, die zahlreiche Organisationen infiltriert und oppositionelle Akademiker und Journalisten beschattet hatte, fand diese Vorwürfe ebenfalls bestätigt, sah aber keinen Grund, strafrechtliche Maßnahmen zu empfehlen.

Für die Öffentlichkeit, resümierte Südafrikas Menschenrechtskommission, markiere der Harms-Bericht nun das Ende aller von der Regierung ernannten Untersuchungskommissionen. Der Bericht biete zwar einige „kleinere Opferlämmer“ an, „ignoriert aber die Verantwortung für die Schaffung und Unterhaltung von Todesschwadronen innerhalb der Sicherheitskräfte“.