US-Golfpolitik: Kongreß will Mitsprache

Kongreßabgeordnete kriegen kalte Füße/ Präsident George Bush soll dem Wahlvolk seine Ziele am Golf besser vermitteln/ Unklarheit, wer das verfassungsmäßige Recht zur Kriegserklärung besitzt  ■ Aus Washington Rolf Paasch

In den USA wird erst über Krieg und Frieden diskutiert, nachdem das Volk zur Wahlurne geschritten ist. Mit Verspätung zwar, aber immerhin, pocht der US-Kongreß nun auf sein Mitspracherecht bei der Entscheidung, gegen Saddam Hussein in den Krieg zu ziehen. Die vor wenigen Tagen angekündigte Verdopplung der US-Streitkräfte hat in Washington nun alle Kriegsgegner, Zweifler und sogar die Anhänger George Bushs auf den Plan gerufen und eine lange versäumte Debatte über die Ziele der USA in der Golfregion beginnen lassen.

Die Ziele der Kongreßabgeordneten, die jetzt über die US-Golfpolitik und über die Verteilung der Entscheidungsgewalt zwischen Exekutive und Legislative diskutieren wollen, sind dabei sehr unterschiedlicher Natur. Außenpolitische Falken wie Senator Lugar wollen eine Debatte — notfalls sogar eine Sondersitzung des Kongresses —, um die Position des Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu stärken. Denn Meinungsumfragen haben ergeben, daß mehr als zwei Drittel aller US-Bürger dem Kongreß bei der Entscheidung über Krieg und Frieden ein Mitspracherecht einräumen wollen. Kriegsgegner wie der demokratische Senator Edward Kennedy wollen den Präsidenten dagegen von einem gefährlichen und sinnlosen Krieg gegen Saddam Hussein abhalten. Und die Führung der demokratischen Partei will zumindest verhindern, daß der US-Präsident, wie seit dem Zweiten Weltkrieg üblich, seine militärischen Feldzüge ohne Konsultation des Kongresses und ohne offizielle Kriegserklärung führt. An dieser im Korea- wie im Vietnamkrieg durchgesetzten Praxis hat auch der 1973 verabschiedete „War Powers Act“ nichts ändern können. Auch für den Einmarsch in Panama hatte sich George Bush nie die Legitimation der Volksvertreter eingeholt.

Hintergrund für das plötzliche Interesse des Kongresses ist die Tatsache, daß immer mehr Abgeordnete kalte Füße bekommen angesichts des Mißverhältnisses zwischen der kriegerischen Dynamik im Golf und der ausbleibenden Kriegsbegeisterung im Volk. Die stolze Ankündigung einer kleinen Firma, die über 55.000 „Bodybags“ für die Rückfahrt potentieller US-Kriegsopfer herstellt, und ungünstige Kriegsszenarios von Militärexperten haben die bis zum 6. November mit ihrer Wiederwahl beschäftigten Kongreßmitglieder nun offenbar aufgeschreckt.

Das Weiße Haus hat bisher alle Forderungen nach einer Einberufung des Parlaments abgelehnt, aber Konsultationen mit Kongreßführern zugestimmt. Präsident Bush wird sich nun ernsthaft überlegen müssen, wie er seinem Volk das begonnene militärische Abenteuer am Golf besser erklärt, sonst wird der Kongreß einfach nicht mehr mitspielen.