Häuserkampf in Ost-Berlin
: Polizei erobert die Straße zurück

■ Nur einen Tag sollte die Mainzer Straße in Ost-Berlin eine „polizeifreie“ Zone sein. Gestern morgen rückte eine imposante Streitmacht ein und nahm 300 Besetzer fest. Berlin und seine rot-grüne Koalition haben ihr Wahlkampfthema gefunden.

Der Widerstand war heftig, aber kurz: Bereits eine gute Stunde nach ihrem massiven Aufmarsch hatte die Polizei die Mainzer Straße im Berliner Stadtteil Friedrichshain „zurückerobert“ und begann mit der Räumung der zwölf dort besetzten Häuser. Polizisten zerlegten mit Schneidbrennern die meterhohen Barrikaden, die die BesetzerInnen bereits bei den Auseinandersetzungen am Montag errichtet und am Vortag noch einmal verstärkt hatten. Beamten hatten die Dächer besetzt, Haus für Haus rückten sie am frühen gestrigen Vormittag vor und führten die Festgenommenen ab, einige blutüberströmt. Mehrere Verletzte mußten auf Tragen zum Krankenwagen gebracht werden. Über 300 Leute wurden festgenommen.

Schon in der Nacht hatten sich Gerüchte verdichtet, daß die Räumung unmittelbar bevorsteht. Nach der Räumung von drei Häusern in den Bezirken Lichtenberg und Prenzlauer Berg hatte es die Polizei am Montag nicht geschafft, die von den BesetzerInnen aus Autowracks, Müllcontainern, Teerfässern und Stacheldraht errichteten Barrikaden am Eingang der Mainzer Straße sowie die mit einem Bagger ausgehobenen Gräben zu überwinden. Gestern hatten sich die Beamten erheblich besser vorbereitet: Bereits in der Nacht wurden in der Umgebung Einsatzfahrzeuge, Wasserwerfer und Räumfahrzeuge zusammengezogen und gegen 6 Uhr in Stellung gebracht. Erste Molotow-Cocktails flogen, als die Beamten versuchten, sich Zugang zu der Mainzer Straße zu verschaffen. Abgeordnete der Alternativen Liste und der Bezirksversammlung Friedrichshain versuchten noch, die Lage zu entschärfen und Verhandlungen mit der Einsatzleitung der Polizei aufzunehmen — doch just in diesem Moment wurde zum Sturm auf die Barrikaden geblasen. Eine Tränengaswolke hüllte die Straße in dichten Nebel, Polizeibeamte stürmten Häusereingänge und Dächer, Hinterhöfe und Nebenstraße. Nur kurz wurden sie von Brandsätzen und Steinhagel, Zwillen und Leuchtmunition gebremst. Gegen die übermächtigen Polizei- Streitkräfte, darunter auch Spezialeinheiten mit Kletterausrüstung, hatten die rund 400 BesetzerInnen keine Chance. Die Polizei bestätigte, daß während der Aktion ein Beamter drei Warnschüsse abgab. In großen Gruppen wurden Leute in Hinterhöfen festgehalten, darunter auch der AL-Abgeordnete Berger. Er bezeichnete gegenüber der taz die Räumung der drei Häuser am Montag als „grobe Fehlentscheidung“ des Berliner Innensenators: „Damit kam eine Entwicklung in Gang, deren Folgen nicht Pätzold, sondern die Bewohner dieser Häuser hier tragen müssen.“

Der Sprecher der Innenverwaltung, Thronicker betonte, daß die zuständigen Wohnungsbaugesellschaften aufgrund der Auseinandersetzungen am Vortag Straf- und Räumungsanträge gestellt hätten. Im übrigen seien nur die Häuser von Räumungen betroffen, bei denen mit „weiteren Straftaten“ zu rechnen sei. Bei den anderen sei der Senat weiterhin an „friedlichen Lösungen“ interessiert. In den Häusern der Mainzer Strasse, so Senatssprecher Kolhoff, sollte noch gestern mit Sanierungsmaßnahmen begonnen werden, um sie danach „ordentlichen Mietern“ zuführen zu können. maz