Zermürbungskampf um Delmebunker

■ Obdachlose BesetzerInnen werden hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten

Seit gestern morgen haben die Obdachlosen im Bunker Delmestraße keinen Kontakt mehr zur Außenwelt: Gegen elf Uhr kappte die Post den Telefonanschluß in der Bunkerzentrale. „Bis auf Widerruf“ heißt es in dem Antrag, der bei der Oberpostdirektion eingegangen war.

„Für die Abhängigen kann das lebensgefährliche Folgen haben“, erklärte Sozialarbeiterin Birgit Stiem, die viele Bewohner der Delmestraße betreut. „Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn hier ein medizinischer Notfall behandelt werden muß.“ Sie und viele andere MitarbeiterInnen aus der Drogenarbeit können diese Maßnahme kaum fassen. „Wer so etwas anordnet, weiß nicht mehr, was er verantworten kann.“

Die Obdachlosen halten die Eingangsschleuse zum Bunker jetzt nachts geschlossen. Durch den gescheiterten Räumungsversuch des Sondereinsatzkommandos sind sie noch mißtrauischer geworden. „Die wollen uns hier aushungern“, vermuteten sie gestern nach dem Anschlag auf ihr Telefon.

Für die tote Leitung will auf Behördenseite niemand die Verantwortung übernehmen. Offiziell läuft der Apparat über den Zähler der Oberfinanzdirektion Bremen. Der Sprecher des Finanzsenators Edgar Denkmann, vermutete gestern das Innenressort als Initiator, das Innenressort tippte auf die Sozialbehörde, und die Sozialbehörde wußte von nichts. „Ich kann nur vermuten, daß der Innensenator so etwas angeordnet hat“, erklärte Sozialsprecherin Andrea Frenzel-Heiduk auf Anfrage.

Gestern Nacht scheiterten wieder einmal sämtliche Vermittlungsgespräche: Weder mit den AnwohnerInnen noch mit den BesetzerInnen konnte Senatorin Uhl einen Lösungsweg für die festgefahrene Situation im Delmebunker aushandeln. Von den erregten Anwohnern mußte sich die Senatorin Inkompetenz und Tatenlosigkeit vorhalten lassen. Anders als erwartet stehen viele AnwohnerInnen auf der Seite der Junkies und setzen sich dafür ein, daß die Abhängigen nicht von einem Bunker in den nächsten müssen.

Auch mit den BesetzerInnen scheiterten vorgestern Nacht weitere Gespräche. Uhl hatte den Abhängigen erneut den Bunker Scharnhorststraße angeboten. Als besonderes Bonbon servierte sie an die Junkies die offizielle Einladung, sich auch tagsüber im Bunker Scharnhorststraße aufhalten zu dürfen. Doch die Obdachlosen lehnten ab.

Gescheitert ist auch der Versuch, in der Deputation Licht in die undurchsichtige Bunkerbelegungsgeschichte zu bringen. Als die Deputierten Aufklärung darüber verlangten, wer den gescheiterten Räumungseinsatz des SEK am Mittwoch zu vernatworten habe, brach die Senatorin die Sitzung „wegen Zeitnot“ ab.

Inzwischen haben sich mehrere AnwohnerInnen zusammengeschlossen, um auf eigene Faust herauszufinden, unter welchen Bedingungen Container für die Obdachlosen aufgestellt werden können. „Wir haben hier unsere Ängste wie alle anderen auch, aber wir können auch nicht verantworten, daß diese Menschen von einem Bunker in den nächsten geschoben werden“, erklärte gestern Anwohner Ralf Stelling. Mit genauen Angaben über Preise, Vermietungsfirmen und Versorgungsmöglichkeiten wollen die Anwohner dann noch einmal zur Senatorin marschieren. „Dann muß sie endlich etwas tun, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht vollständig verspielen will“. Markus Daschner