Wird Müllvermeidung nun sogar »bestraft«?

■ AL fordert: Stadtreinigung soll zugunsten des Recyclings und der Abfallvermeidung Tarifsystem umkrempeln/ Rechtlich okay

Berlin. Mit einer Änderung ihrer Tarifstruktur könnten die Berliner Stadtreinigungs-Betriebe (BSR) auch das System der Sekundärrohstofferfassung (SERO) im Ostteil der Stadt längerfristig subventionieren. Zu dieser Auffassung ist der umweltpolitische Sprecher der AL-Fraktion, Hartwig Berger, gekommen. Berger forderte eine erhebliche Erhöhung der Entgelte für die Abfuhr von ungetrennt gesammeltem Hausmüll. Dafür sollten die Gebühren für das Papier- und Glasrecycling nach dem sogenannten »Berliner Modell« entsprechend gesenkt werden.

Daß die Festsetzung von unterschiedlichen Entgelten für die Abfuhr von Abfällen und wiederverwertbaren Altstoffen rechtlich möglich ist, bestätigte Betriebesenator Wagner (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage Bergers. Wagner zufolge hat die BSR im April eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung eines Gutachtens zum Thema »abfallvermeidende Tarife« beantragt. Dieses Gutachten werde bis zum Jahresende vorliegen, so daß es in die kommenden Beratungen über neue Tarife einbezogen werden könne. »Unter besonderer Einbeziehung ökologischer Zielsetzungen« würden eine Reihe von Möglichkeiten zur Erzielung abfallvermindernder Tarife untersucht.

Wie BSR-Sprecherin Carin Reich auf Anfrage einräumte, lohnte sich die Aufstellung von Behältern für Glas und Papier derzeit für Grundstückseigentümer nur dann, wenn sie dadurch ein Hausmüllgefäß einsparen könnten. In einem solchen Fall schlage zu Buche, daß sich bezogen auf die Behältergröße von 240 Litern die Kosten der wöchentlichen Leerung im Quartal von 142,80 Mark auf 75 Mark, also fast auf die Hälfte, reduzierten. Die BSR gestatte den Ersatz aber erst ab einer Mindestanzahl von sechs Gefäßen, denn schon »aus Erfahrung« wisse man, daß sonst »der Müll danebengeschmissen wird«, sagte die BSR-Sprecherin.

Die bei der Stadtreinigung geltenden Mülltarife seien »völlig unökologisch« und förderten mitnichten die Abfallvermeidung oder -verwertung, kritisierte vor diesem Hintergrund der Referent in der Senatsumweltverwaltung, Thomas Schwilling. Man wisse, daß verschiedene Grundstückseigentümer in der Vergangenheit mit Verweis auf die Mehrkosten die Aufstellung von Glas- und Papierbehältern abgelehnt hätten. Schwilling wies darauf hin, daß die BSR jetzt durch ihre Rabatte für größere Behälter die Müllvermeidung sogar »bestraft«. So hat ein BSR-Kunde, der statt eines 240-Liter-Gefäßes einen 600-Liter-Container aufstellen läßt, einen Preisvorteil von 74,35 Mark im Quartal. Die Umweltverwaltung strebe dagegen lineare oder progressive Müllabfuhrtarife an, die die Müllvermeidung belohnten, erläuterte Schwilling. Westdeutsche Entsorgungsbetriebe, die ihren Kunden gestatteten, bei der Aufstellung von Recycling- Tonnen das Volumen der Hausmüllbehälter gleichzeitig um 30 Prozent zu reduzieren, wären nach Schwillings Ansicht ein Vorbild. thok