Mein ist die Rache, spricht die AL

■ Nach dem Koalitionsbruch schlägt die AL zum ersten Mal zurück: Mißtrauensvotum gegen Momper/ Diepgen signalisiert Interesse am Sturz des Regierenden, sollte der nicht selbst gehen/ Zwei Senatorinnen gegen Bruch — sie treten dennoch zurück

Berlin. In Berlin gibt es seit gestern keine komplette Landesregierung mehr: Nach stundenlangen Beratungen zog die Alternative Liste im Westteil der Stadt die Konsequenzen aus dem Verhalten der SDP während der Krawalle in den letzten Tagen und kündigte die rot-grüne Koalition — wenige Wochen vor der Wahl — auf. Die Entscheidung fiel am Nachmittag mit großer Mehrheit in einer Sondersitzung der Fraktion, an der auch der Parteivorstand teilnahm. Von den 17 Fraktionsmitgliedern waren zwei nicht anwesend, 12 stimmten für die Aufkündigung, drei dagegen (Bernd Köppl, Michael Cramer und Michael Michaelis). Vom Vorstand stimmten von den fünf Anwesenden vier für den Schritt, zwei waren nicht da und es gab eine Enthaltung. Vor der Presse begründete die AL-Fraktionsvorsitzende Renate Künast die Entscheidung formal damit, daß die AL von den geplanten Räumungen nicht informiert worden war; inhaltlich verurteilte sie das Abgehen der SPD von der vereinbarten Deeskalationslinie mit der anschließenden Räumung der Mainzer Straße. Den Vorwurf der SPD, sich mit den Gewalttätern zu solidarisieren, wies Künast zurück. Ausdrücklich wurde gestern immer wieder betont, daß die Entscheidung nicht nur mit den Ereignissen der letzten drei Tage zusammenhänge, sondern ganz allgemein mit dem Verhalten seitens der SPD in den vergangenen Monaten. Außerdem soll in einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses ein Mißtrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister gestellt werden — spannend wird dabei das Stimmverhalten der CDU. Spitzenkadidat Eberhard Diepgen signalisierte in einer ersten Reaktion immerhin Interesse am Sturz Mompers noch vor der Wahl — für den Fall, daß der Regierende nicht von allein zurücktritt. Die drei AL-Seantorinnen wurden in dem Beschluß von der AL-Fraktion aufgefordert, von ihren Ämtern zurückzutreten. Schulsenatorin Sybille Volkholz kündigte an, daß alle drei am Montag beim Präsidenten des Abgeordnetenhauses ihre Rücktrittsschreiben einreichen, obwohl weder sie selbst noch Umweltsenatorin Michaele Schreyer für die Beendigung des Bündnisses waren. Nach den Neuwahlen, so bekräftigten Volkholz und Bernd Köppl, werde man erneut auf eine rot-grüne Koalition setzen. Gleichzeitig mit dem Ausstieg präsentierte die AL ein Konzept für den Konflikt mit den besetzten Häusern vor: Sie fordert ein sofortiges Räumungsmoratorium für alle besetzten Häuser, die Abkehr beider Seiten von militärischen Lösungen und ein Konzept des Senats, um Wohnungsleerstand zu beseitigen.

Der Regierende zeigte sich gestern abend nach außen realtiv gelassen: Er bedauerte den Entschluß der Koalitionspartnerin und warf ihr vor, sich in einer für die Stadt schwierigen Situation aus der gemeinsamen Regierungsverantwortung verabschiedet zu haben. Erneut verteidigte Momper das Vorgehen der Senatsspitze und wies den Vorwurf, man habe die AL nicht informiert, zurück. Sie seit dem Beschluß des Magi-Senats über die Berliner Linie in Kenntnis über das Vorgehen gewesen. Der Forderung von CDU- Oppositionschef Eberhard Diepgen, mit dem gesamten Senat zurückzutreten, wird der Regierende nicht nachkommen. Auch von einer Umbildung des Kabinetts wollte er so kurz vor der Wahl nichts wissen. Über die Zukunft von möglichen rot- grünen Bündnissen wollte sich Momper nicht äußern: Es sei vieles möglich, aber der Ausgangspunkt für die Wahl sei in jedem Falle verändert. Kd