Polizei ohne Grenzen bei Berliner Demos

■ Warnschuß in den Fuß, Einsatz von Blendschockgranaten und angeblich auch von Gummigeschossen

Berlin (taz) — Bei den schweren Straßenschlachten hat nicht nur die Gewalt von Hausbesetzern eine neue Qualität erreicht — auch die Polizei hat offenbar alle Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit fallengelassen.

Höhepunkt der gewalttätigen Auseinandersetzungen waren drei Warnschüsse eines Berliner Polizeibeamten, die am Dienstag bei der Räumung der 13 Häuser in der Mainzer Straße abgegefeuert wurden. Merkwürdigerweise traf eine der Kugeln einen Symphatisanten der Hausbesetzer in den Fuß. Das herausoperierte Projektil soll schwer verformt sein — ein Hinweis für einen Querschläger. Die Mordkommission ermittelt. Am Montag abend, als Hausbesetzer die Barrikaden vor ihren Häusern im Bezirk Friedrichshain bauten, schoß die Polizei nicht nur Unmengen von chemischen Kampfgasen in die verbarrikadierte und andere Straßen, sondern setzte auch mehrere Blendschockgranaten ein. Der grelle Blitz dieser Granaten flackerte in den Tränengasschwaden bis in die Höhe von Hausdächern.

Am Montag wie auch während der Auseinandersetzungen nach der Demo in der Nacht auf den Donnerstag schmissen Beamte auch mit Steinen; selbst ein ungeschützer Pressepulk wurde zur Zielscheibe. Nach Augenzeugenberichten soll die Polizei nach der Demonstration auch Gummigeschoße eingesetzt haben. Auf der Ostberliner Kreuzung Frankfurter Tor hörte eine Zeugin dumpfe, schallgedämpfte Schüsse. Ein anderer Zeuge berichtete der taz, daß ein Demonstrant »von irgendetwas« in den Hintern getroffen worden sei, hinfiel und aufgrund des starken Schmerzes nicht wieder aufstehen konnte.

Innensenator Erich Pätzold (SPD) ließ erklären, daß Gummigeschoße nach dem Berliner Polizeigesetz nicht erlaubt seien. Die Berliner Polizei verfüge auch nicht über solche Geschosse. Es werde geprüft, ob die Niedersächsiche Polizei oder der Bundesgrenzschutz solche Waffen mitgebracht habe. Die Steinwürfe von Beamte verurteilte der Senator, und er riet: Betroffene und Augenzeugen sollen Anzeige erstatten. Die Vorfälle würden untersucht werden. Dirk Wildt