Brandt: Golfkrieg nicht begrenzbar

■ Bundestag schafft keine gemeinsame Entschließung zur Golf-Krise

Bonn (taz) — Außenminister Genscher bedankte sich gestern im Bundestag bei Willy Brandt dafür, daß er sich um die Freilassung der Geiseln im Irak bemüht habe. Mit Brandt sei er sich einig, daß die Europäer nun „neue Wege zur friedlichen Lösung von Konflikten“ entwickeln müßten. Trotz solcher Harmonie zwischen Regierung und Opposition kam es am Ende der gestrigen Sondersitzung zur Lage am Golf nicht zu einer gemeinsamen Entschließung des Bundestages. Sowohl ein Antrag der CDU als auch der SPD wurde an den Auswärtigen Ausschuß überwiesen, wo sie voraussichtlich nicht mehr diskutiert werden können.

Der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt berichtete dem Bundestag welche Lehren er aus seiner Reise zu Saddam Hussein gezogen habe: „Die Zeituhr tickt lauter“ mahnte er, „der Irak ist ein prallgefülltes Pulverfaß.“ Ein Krieg in der Golf-Region könne niemals von kurzer Dauer sein, da beide Seiten über modernes Kriegsgerät verfügten. „Niemand kann garantieren“, so Brandt, „daß aus dem lokalen Kriegsherd kein regionaler Flächenbrand wird.“ Obwohl die Zeit knapp sei, gebe es noch Chancen für eine friedliche Lösung am Golf. Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen denn Irak zeigten bereits erste Erfolge. Brandt schlug vor, den wirtschaftlichen Druck fortzusetzen und gleichzeitig politische Lösungen zu suchen. Die irakischen Truppen in Kuwait müßten zurückgezogen und durch eine UN-Streitmacht ersetzt werden. Der saudi-arbische Verteidigungsminister habe einen guten Vorschlag gemacht: Man könne dem Irak erlauben, einen der Golfhäfen zu nutzen. Allerdings, so schränkte Brandt ein, eröffne sich für Saddam Hussein ein Verhandlungsspielraum „erst bei einer generellen Ausreise aller Festgehaltenen.“

Willy Brandt wehrte sich gegen den Vorwurf, seine Reise nach Bagdad habe die internationale Solidarität aufgebrochen. „Solidarität, die sich auf Nichtstun beschränkt, macht keinen Sinn“, sagte er. Der Bundesregierung warf Brandt vor „an liebgewonnener Provinizialität“ festzuhalten anstatt das politische Gewicht des vereinten Deutschlands in die Waagschale zu werfen. Dies müsse „wo immer möglich, in Abstimmung mit anderen, wenn nötig aber auch mit eigenem Wagnis“ geschehen.

Willy Hoss von den Grünen betonte, die Bundesrepublik sei als jahrelanger Lieferant von Waffen für einen möglichen Krieg am Golf mitverantwortlich. Er las die Liste der bundesdeutschen Firmen von MBB über Rheinmetall bis zu Siemens und Thyssen vor, die in den vergangenen Jahren Kriegsgerät in die Golfregion geliefert hätten. Wer heute auf die militärische Option setze, der nehme „größte Opfer unter der Zivilbevölkerung und den Tod zehntausender junger Menschen als Soldaten“ in Kauf. Hoss forderte — wie schon zuvor seine Partei auf einem von der Polizei beschlagnahmten Flugblatt — alle Bundeswehrsoldaten auf „sich nicht als Kanonenfutter mißbrauchen zu lassen“. Noch bestehe die Chance „friedliche Wege zur Überwindung des Konfliktes zu finden“. Der UNO-Boykott gegen den Irak müsse fortgesetzt und eine Friedeskonferenz im Nahen Osten einberufen werden. Tina Stadlmayer