Gewaltfreie zwischen den Fronten

■ Nach der Räumung der Mainzer Straße protestierten 10.000 in der Berliner Innenstadt/ Am Ende der Demonstration Ausschreitungen/ Bürgerrechtler stellten sich zwischen Steinewerfer und Polizei

Berlin (taz) —Gegen die Räumung der besezten Häuser in der Mainzer Straße protestierten am Mittwoch Abend in Berlin rund 10.000 DemonstrantInnen in Ostberlin. Der Zug, der vom Senefelder Platz über das Rote Rathaus zum Frankfurter Tor führte, verlief ohne Zwischenfälle. Zu Ausschreitungen kam es im Anschluß, als die meisten TeilnehmerInnen den Platz bereits wieder verlassen hatten. Mitglieder des Bündnis 90 gingen zwischen Polizei und militante Demonstranten und verhinderten eine regelrechte Straßenschlacht.

Während der Demonstration warfen die RednerInnen dem Berliner Senat eine „polizeistaatliche Lösung der Wohnungspolitik“ vor. Die „Eskalation der letzten drei Tage“ sei vom SPD/AL-Senat „systematisch vorangetrieben“ worden. Sie erneuerten ihre Forderung nach einem Räumungsverzicht, einer Rahmenvereinbarung für die besetzten Häuser und der Rückgabe der geräumten Häuser an die BesetzerInnen.

Der Demonstrationszug endete am Frankfurter Tor in Ostberlin, wo mehrere Hundertschaften der Polizei aus Nordrhein-Westfalen den weiteren Weg in die nahegelegene Mainzer Straße abriegelten. Nach etwa einer Stunde kam es dort gegen 20 Uhr 30 zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und etwa 200 steinewerfenden Demonstranten. Die Polizei setzte im Verlauf der zweistündigen Randale Wasserwerfer und Tränengas ein.

Mitglieder des Bündnis 90, überwiegend aus der Bürgerrechtsbewegung Neues Forum, gingen dabei immer wieder mit den Rufen „Aufhören“, „Keine Gewalt“ und „Kein Wahlkampf für die SPD“ zwischen die Fronten. Als einige Vermummte in der anliegenden Bersarinstraße die Scheiben eines Konsum-Geschäftes einwarfen und die Umstehenden aufforderten, „holt euch die Sachen, die ihr euch nicht leisten könnt“, verhinderten sie auch die Plünderung des Ladens. Gewaltfreie und Vermummte lieferten sich hitzige Wortgefechte, vereinzelt kam es zu Rangeleien.

Die BürgerrechtlerInnen versuchten aber auch, die Polizei bei ihren Ausfällen zu stoppen. Sie stellten sich einem Polizei-Konvoi in den Weg und mit einer Sitzblockade hinderten sie einen Wasserwerfer am Einsatz. Ebenso wie die Vermummten waren die Bereitschaftspolizisten aus Nordrhein-Westfalen vom Eingreifen der Gewaltfreien sichtlich irritiert. Während die Militanten den Leuten vom Neuen Forum ein „Verpißt euch“ entgegen schrien, konnten die Polizisten nicht zwischen gewaltfreien und militanten Demonstarnten unterscheiden. Mit Schlagstöcken schlugen sie auf beide Gruppen ein. Laut Polizei-Pressestelle wurden nach der Demonstration 33 Personen festgenommen.

„Auch wenn es vielleicht etwas naiv und hilflos gewirkt hat, es hat die große Eskalation verhindert“, resümierte gestern Tina Krone vom Neuen Forum. Nachdem es anfangs so ausgesehen habe, als habe das Eingreifen der Bürgerrechtler keinen Erfolg, seien viele frühere DDR-Oppostionelle besonders wütend geworden.

Sie wollten nicht mit ansehen, wie „West-Polizisten und harte West- Autonome ihre Kämpfe bei uns austragen“. Wolfgang Gast