Ab Januar Chaos für Behinderte

■ PWV: Pflegegeldgesetz in eine Hand

Vom ersten Januar an übernehmen die Krankenkassen bis zu 400 Mark Pflegegeld pro Monat für Schwerstbehinderte oder bis 750 Mark für die Bezahlung ihrer Pflegekräfte.

Jetzt müssen sich Behinderte in Bremen an drei verschiedene Stellen wenden, wenn sie ihr pauschales Pflegegeld von gegenwärtig höchstens 883 Mark ausschöpfen wollen. Sie bekommen nämlich — bei vollem Anspruch — dann noch 350 Mark Landespflegegeld und 133 Mark Pflegegeld nach dem Bundessozialhilfegesetz.

Ein „Chaos von Zuständigkeiten, Gutachten und Klagen“ sehen der Paritätische Wohlfahrtsverband (PWV), die Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (LAG) und der Verein Selbstbestimmt leben auf SachbearbeiterInnen und JuristInnen, aber noch schlimmer: auf die Betroffenen selbst zu kommen. Alle drei Kostenträger definieren nämlich Schwerstbehinderung anders. Und zahlen das Geld für unterschiedliche Formen von Hilfen. Für alle drei Leistungen müssen gesonderte Anträge gestellt werden.

Schon jetzt können sich die Verbände vor besorgten Anrufen kaum noch retten. Norbert Breeger vom PWV: „Jeder Kostenträger wird versuchen, sich auf Kosten des anderen zu entlasten.“ Eine Flut von Gutachten und Gegengutachten wird die Folge sein. Auf wessen Kosten das letzten Endes geht, ist klar. Die Behinderten und Älteren, die das Geld erhalten sollen, sind in ihrer Bewegungsfreiheit ohnehin eingeschränkt. Gerhard Iglhaut von der LAG: „Alte Leute kommen hierher und sagen: Das schaffen wir nicht mehr.“ Breeger ergänzt: „Der größte Einsparungseffekt liegt in der Abschreckung der Anspruchsberechtigten.“ Die müssen außerdem befürchten, daß sie ihren Sozialhilfeanspruch verlieren, wenn sie das Pflegegeld der Krankenkassen nicht in Anspruch nehmen. Die Krankenkassen wiederum sind im Bereich Behinderungen völlig unerfahren.

Dabei steht schon seit Dezember 1988 — so alt ist das Gesundheitsreformgesetz — fest, was auf Behinderte und Fachleute zukommen wird. „Diese Zeit“, so Gerhard Iglhaut, „ist ungenutzt verstrichen“. Der Vorschlag vom PWV, LAG und dem Verein Selbstbestimmt leben: Die Rechtsansprüche in einem einheitlichen Landespflegegeldgesetz zusammenzufassen. Denn neben den rund sechs Millionen Mark, die das Land Bremen durch die Zahlungen der Krankenkassen einsparen wird, könne durch den Wegfall von Prüfungen noch eine Menge an Verwaltungsarbeit eingespart werden. Schon zu Beginn des Jahres hatten sie gemeinsam auf die Probleme des Gesetzes aus der Gesundheitsreform hingewiesen und an die Sozialsenatorin geschrieben. Bisher ohne Resonanz. bear