Wo Bürger parken

■ Der Bürgerpark wird 125 Jahre / Spaziergang mit Historie

Unter den Füßen knirscht Schotter. Modriger Geruch überall. Überall auf den Wegen matschige Blätter. Auf einer der ausgedehnten Wiesen ragt eine Gruppe gewaltiger Tannen in den grauen Himmel. Zwischen ihnen eine abgestorbene Lärche mit gelben Nadeln. Herbst im Bürgerpark.

Kaum vorzustellen — noch vor 125 Jahren erstreckte sich hier ödes Weideland. Bäume gab es nur wenige. Bei großer Hitze brannte die Sonne so erbarmungslos auf die Wiesen, daß alles verdorrte. Das verdroß im Sommer 1865 einen Schützenverein. Fünf Tage lang feierte er auf der Bürgerweide: Kein Schatten.

Unter diesem Eindruck gründeten die Bremer Bürger am 16.November 1865 den „Verein zur Bewaldung der Bürgerweide“. Heute heißt er Bürgerparkverein. Ein halbes Jahr später wurde der erste Baum gepflanzt — auf einem 136-Hektar- Gelände, wo jahrhundertelang nur Kühe geweidet hatten. Und nachdem die „Bürgerinitiative“ genügend Geld gesammelt hatte, machte sich der Landschaftsgärtner Wilhelm Benque mit Elan an die Arbeit.

Bereits am 1866 wurden die ersten Spatenstiche für den Emma- See getan. Inzwischen liegt er in einer dicht bewachsenen Parklandschaft. An seinen Ufern strecken mir die fast 100 Jahre alten Kastanien ihre großen gelben Fingerblätter entgegen. Von fern rattert eine Maschine. Rasenmähen bei diesem Wetter? Beim Näherkommen sehe ich, wie Blätter durch die Luft wirbeln. „Ein Laubgebläse“, erklärt der Gärtner stolz, eine Art riesiger Föhn. Im Nu hat er das Laub von den Wegen gepustet. Schade, jetzt raschelt es nicht mehr, wenn man über die Wege schlurft.

Ich schlendere weiter. Vorbei an braun vertrockneten Eichen und Buchen. Unter einer uralten Linde sitzt trotz Nieselregen ein Herr mit altmodischem Hut auf einer Bank und studiert die Tageszeitung. Ob er je etwas über Gräfin Emma von Lesum gehört hat? Eine Legende erzählt, daß sie in der Geschichte des Parks bereits 1035 eine entscheidene Rolle gespielt hat.

Bei einem Besuch in Bremen soll die edle Dame so sehr von der Gastfreundschaft der Hanseaten beeindruckt gewesen sein, daß sie den Bürgern der Stadt kurzerhand ein Stück Land versprach. Es sollte genau so viel sein, wie ein Mann in einer Stunde umwandern kann. Davon hörte ihr Erbe, der Herzog Benno von Sachsen. Er spottete über das Geschenk: „Besser wäre noch so viel, wie ein Mann an einem Tag umwandern kann.“ Gräfin Emma war davon beeindruckt und vergrößerte das Angebot entsprechend. Benno jedoch war nicht nur geizig, sondern auch gewitzt. Er wählte einen Krüppel, der bis zur Erschöpfung jenes Gebiet umkrochen haben soll, das später „Bürgerweide“ hieß.

Der Blätterpuster hat jetzt seine Arbeit beendet. Müde schleift er seinen Riesenföhn hinter sich her. Ein paar Kinder haben einen Blätterhaufen entdeckt und springen und wühlen kreischend im raschelnden Laub. Ein letztes Mal tief durchatmen, bevor ich wieder in den Verkehr muß. Birgit Ziegenhagen