Gesamtschule Mitte: „Wir stehen im Regen“

■ Engagiertes Schulprojekt in Gefahr: Materialmangel, Raumnot und Löcher im Dach

“Jetzt stehen wir im Regen“, klagt der Schulleiter der Gesamtschule Mitte (GSM), Armin Stolle. Die Beschwerde ist ganz wörtlich gemeint. An bröckelnden Putz, Löcher in Wänden und Türen und eine Ausstattung aus dem Sperrmüll anderer Schulen hatte sich die GSM schon gewöhnt. Aber jetzt tropft es auch noch an mehreren Stellen des sanierungsbedürftigen Schulgebäudes an der Hemelinger Straße durch das kaputte Dach. „Es wurde in keiner Weise für eine Grundausstattung unserer Schule gesorgt“, sagt Stolle, vieles, was in anderen Schulen selbstverständlich ist, mußte in der jüngsten Bremer Gesamtschule erst von Eltern und LehrerInnen in Eigenarbeit geschaffen werden.

In den ersten zwei Jahren des Aufbaus der neuen Schule klappte das auch relativ problemlos. Jetzt ist das Faß der vielen kleinen Frustrationen jedoch am Überlaufen. Dafür sorgte am Mittwoch abend Ferdinand Berghorn, als er im Auftrag seines Chefs, des Bildungssenators Henning Scherf, auf einer Sitzung des Beirats Östliche Vorstadt ankündigte, daß auch der längst versprochene Anbau zum Schuljahresbeginn 1991 kaum fertig sein wird. Die fatale Folge für die sowieso schon bis unters Dach vollgestopfte Schule: Für drei dann dazukommende neue Klassen müßten 1991 auch noch die restlichen zwei Fachräume und die Cafeteria geräumt werden. Dort ist nicht nur der einzige Aufenthaltsraum der Schule, sondern auch der Platz zur Vorbereitung des täglichen Mittagessens.

Entschieden wird über die sieben Millionen Mark teure Finanzierung des GSM-Anbaus zwar erst am Montag in der SPD-Fraktion, doch alle Zeichen stehen auf Streichen. In der Bildungsbehörde wird deshalb bereits über eine Auslagerung von Teilen der GSM nachgedacht. „Das wäre der Tod des Experiments mit einer kleinen, überschaubaren integrierten Gesamtschule“, fürchtet Schulleiter Stolle.

„Unser jahrelanges Überengagement hat eine Grenze“, meint auch eine Mutter, die schon selber völlig ramponierte Klassenräume gestrichen und für den Abwasch des Geschirrs nach dem Mittagessen gesorgt hat. „Wir erwarten hier ja gar keine Sonderbehandlung“, versichert die Mutter, „wir wollen nur das gleiche Recht wie alle anderen Schulen.“

Klagen gibt es auch von den GSM-LehrerInnen. „Keine Geschichtsbücher und Atlanten“, haben die einen, „nur 30 Prozent der im Lehrplan vorgeschriebenen Experimente“ können die anderen wegen Material- und Raummangel durchführen. Und wenn an den gleichen Schultischen erst getöpfert, dann eine Arbeit geschrieben und schließlich gegessen wird, dann verzweifeln am Ende die Raumpflegerinnen vor den angesammelten Überresten.

„Wir haben ein engagiertes Kollegium, und auch viele Eltern sind in der Schule aktiv“, versichern die GSM-GründerInnen übereinstimmend, „aber wenn wir überhaupt keine Hoffnung mehr haben, daß sich die katastrophalen Rahmenbedingungen unser Arbeit einmal verbessern, dann läßt sich auch dieses Engagement nicht länger durchhalten“, ahnt Barbara Larisch vom Elternbeirat.

Am 22. November treffen sich Eltern und LehrerInnen, um ihren Protest gegen das langsame Sterben ihrer kleinen integrierten Gesamtschule zu planen. Ase