Holland in Not

■ EM-Qualifikation am Mittwoch gegen Griechenland ohne Ruud Gullit, Ronald Koeman und Frank Rijkaard PRESS-SCHLAG

Tore erwarten Hollands Fußballfans von ihrem Liebling. Doch ins Netz traf Cruyff-Zögling Marco van Basten (25) für Holland zum letzten Mal im Frühjahr, im WM-Testspiel gegen Jugoslawien. In sechs darauf folgenden Einsätzen im Oranje-Team gelang dem sonst so treffsicheren Mann aus Milan rein gar nichts. Und das, obwohl er bei seinem italienischen Arbeitgeber in jedem Ligaspiel gut für mindestens einen Treffer ist.

Im EM-Qualifikationsspiel gegen Portugal am 17. Oktober (0:1) offenbarte sich das Dilemma der Meistermannschaft von München 1988: Es läuft schlicht nichts mehr zusammen. „Wir können uns nicht länger damit herausreden, daß wir kein Glück haben. Gegen Portugal hätten wir gut und gerne einen halben Tag lang weiterspielen können, wir hätten immer noch keinen reingemacht“, sagte van Basten unlängst in einer Sportsendung des niederländischen Fernsehens. Wie schon in den Weltmeisterschafts- Gruppenspielen und im entscheidenden Achtelfinale gegen „Duitsland“ war von dem begnadeten Filigrantechiker und EM-Torschützenkönig 1988 nichts zu sehen. Bei AC Milan dagegen glänzt er, und wenn er schon nicht selbst den Weg ins Netz findet, dann zeigt er ihn seinen millionenschweren Mitspielern Rijkaard und Gullit.

Diese Brillanz seiner Legionäre nützt dem „General“, Hollands Coach Rinus Michels, natürlich nichts. Nachdem „Lama“ Rijkaard bereits angekündigt hatte, das Oranje-Trikot nicht mehr überzustreifen und Ronald Koeman ohnehin verletzungsbedingt für ein halbes Jahr auf der Tribüne hocken wird, trifft es Michels nun besonders hart, in Hinblick auf die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Griechenland (20.11.) und Malta (27.11.) nun auch auf Regisseur Gullit („ich fühle mich nicht ganz fit“) verzichten zu müssen. Bleibt nur noch einer: Marco van Basten.

Van Basten meint, daß die überragende Mannschaft von 1988 seit einem Jahr stagniert. „Wir sind keine Meisterelf mehr, unsere Mannschaft hat keine Seele wie damals. Wir können einfach nicht besser.“ Für den Milan-Star ist die Unterstellung, Hollands Auswahlspieler seien kreative und technisch perfekte Spieler, purer Mythos. „Die Zeiten sind vorbei, wir gehören wieder zum Mittelmaß.“ Und daß er seine eigene Leistung im Nationalteam da nicht ausnehmen kann, wurmt ihn. Er hat keinerlei Erklärung für seine Ladehemmungen. „Das frißt an einem. Da überlegt man sich doch schon mal: Wäre es nicht klüger, aufzuhören?“

Ist das wohl ein gutgemeinter Rat seines Entdeckers und geistigen Vaters, des enfant terrible des niederländischen Fußballs, Johan Cruyff, den viele nur zu gerne im Amt des Rinus Michels sehen würden? Der Trainer des spanischen Meisteranwärters CF Barcelona hat seinen Libero Ronald Koeman bereits zur Kritik am „General“ aufgehetzt, worauf dieser sich prompt aus der Nationalmannschaft verabschieden mußte. Cruyff übte schon nach dem blamablen Abschneiden bei der WM in Italien harsche kritik an der Spielauffassung seines ehemaligen Ziehvaters Michels. Nach Auffassung des einstigen Ajax-Goalgetters und späteren Spielmachers des WM-Vizeweltmeisters von 1974 ist van Basten die zentrale Gestalt im Team, nicht Gullit. Entsprechend Cruyffs Konzept des totalen Angriffsfußballs verfügt Torjäger van Basten, wie Cruyff selbst in den siebziger Jahren, mittlerweile über die Qualitäten, Spielgestalter zu sein, andere zu schicken. Michels mag mit Marco van Basten nicht experimentieren. Der Erfolg rechtfertigte bisher diese Strategie. Die Fußballfans und die Medien dagegen rufen immer lauter nach Erneuerung — und für die steht nur einer: Johan Cruyff. Henk Raijer