: Die toten Patres und das Schweigen der Militärs
Ein Jahr nach dem Mord an sechs Jesuitenpatres in El Salvador werden die Ermittlungen weiter blockiert/ Die Schuldigen sitzen an der Armeespitze/ USA hält Dokumente unter Verschluß und setzt Zeugen unter Druck/ Kritik an BRD-Entwicklungshilfe ■ Aus San Salvador R. Leonhard
Vielleicht haben sie durch ihr Martyrium mehr für den Frieden geleistet als durch den Lehrstuhl an der Universität, glaubt Weihbischof Gregorio Rosa Chavez. Tatsächlich hat kein Verbrechen in El Salvador soviel in Bewegung gebracht wie der Mord an sechs Jesuitenpatres vor einem Jahr: die Allmacht der Militärs ist bedroht, die Unzulänglichkeit des Justizsystems ist offenkundig geworden, und der Friedensdialog hat neue Impulse bekommen.
Die bisher größte Militäroffensive der Guerillafront FMLN ging in den fünften Tag, als am 16. November 1989 eine Eliteeineit der Armee in die Jesuitenuniversität UCA eindrang und schwarz bemalte Soldaten die Patres als angebliche Mentoren der Guerilla aus den Betten zerrten und niederschossen. Der erste Jahrestag dieses Massakers wurde jetzt mit einem Fackelzug und einer Mahnwache begangen. Tausende Salvadorianer, von zahlreichen ausländischen Delegationen begleitet, marschierten Donnerstag abend quer durch die Hauptstadt zur UCA. Vor dem Gebäude, wo ein Kommando des Atlacatl-Elitebataillons das Massaker begangen hatte, hielten sie die ganze Nacht eine Mahnwache. Ausgangspunkt des Marsches war die Kathedrale im Stadtzentrum, wo Francisco Estrada, der Rektor der UCA, eine Gedenktafel für die ermordeten Ordensbrüder enthüllte.
Estrada kritisierte, daß die Untersuchung des Mordes an seinem Vorgänger Ignacio Ellacuria, fünf weiteren Patres und deren Hausangestellten in einer toten Phase stecke. „Erst wenn die USA ihre Dokumente herausrücken, kann etwas weitergehen“, meinte er. Zwar sind seit Januar der ehemalige Chef der Militärakademie, Oberst Guillermo Benavides, zwei Oberleutnants und sechs Soldaten in Untersuchungshaft, doch blockieren der Generalstab und die US-Botschaft die Ermittlungen. Die US-Geheimdienste halten nämlich ihre eigenen Untersuchungsergebnisse „aus Rücksicht auf die nationale Sicherheit“ unter Verschluß. Lediglich die Defense Intelligence Agency, der Geheimdienst des Pentagons, schickte im September nach mehrmaligem Nachfragen ihren Bericht an die Jesuitengemeinde in El Salvador. Allerdings sind die entscheidenden Stellen mit schwarzer Tusche übermalt. Das Dokument gleicht äußerlich einem pornographischen Pamphlet, das von einer Zensurstelle kindersicher gemacht wurde.
Die USA dürften an der Vertuschung des Verbrechens von Anfang an beteiligt gewesen sein. Die einzige überlebende Tatzeugin, Lucia Cerna, wurde vom FBI in Miami eine Woche lang in die Mangel genommen, bis sie ihre ursprüngliche Aussage, die die Armee belastete, zurücknahm. Unter Druck gesetzt wurde auch der US-Major und Militärberater Eric Buckland, der Anfang Januar bereits vor dem FBI ausgesagt hatte, er hätte schon zehn Tage vor dem Mord gewußt, daß Oberst Benavides die Jesuiten liquidieren wollte. Wie das Nachrichtenmagazin 'Newsweek‘ in seiner jüngsten Nummer enthüllte, hatte Buckland diese Aussage auf Druck des State Department eine Woche später zurückgenommen. Ende September vor dem Richter in San Salvador bekannte er sich allerdings zu seiner ursprünglichen Aussage.
Auch die deutsche Entwicklungspolitik wird in Zusammenhang mit dem Jesuitenmord in Frage gestellt. „Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, keine weitere Entwicklungshilfe an El Salvador zu zahlen, bevor das Massaker an den Jesuiten nicht restlos aufgeklärt ist. Dennoch werden Gelder aus Altzusagen noch immer ausgeschüttet“, heißt es in einer Anzeige, die hier am Donnerstag in den Zeitungen erschien. Eine Gruppe von deutschen Jesuiten, Grünen und Sozialdemokraten, angeführt vom Abgeordneten W.M. Catenhusen, fordert darin von der Regierung Kohl die völlige Einstellung von Projektgeldern, den Abzug der GTZ-Experten, Druck auf die USA hinsichtlich der Freigabe der gesperrten Dokumente und Eintreten für das baldige Zusammentreten der Überwachungskommission für Menschenrechte, deren Gründung im Dialog zwischen FMLN und Regierung ausgehandelt worden war.
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