INTERVIEW
: "Gewaltlose Ansätze sind nun kaputt"

■ Ines Koenen, Bezirksverordnete des UFV in Friedrichshain, war bei der Räumung der Mainzer Straße dabei

Berlin (taz) — „Unsere Räumung war nicht so brutal wie in den anderen Häusern. Das ist aber nur der Tatsache geschuldet, daß bei uns Leute von der Alternativen Liste dabeiwaren und bei der Polizei vermittelten.“

Ines Koenen, Bezirksverordnete im Stadtparlament von Berlin-Friedrichshain, hat die Räumungen der Mainzer Straße am eigenen Leib miterlebt: In den frühen Morgenstunden des vergangenen Dienstags, als die Wasserwerfer auf die Barrikaden zurollten und die Straße kurze Zeit später „zugegast“ war, flüchtete sie in die Mainzer Straße 4. Dort wurde sie mit den anderen geräumt, „erkennungsdienstlich“ behandelt und stundenlang zunächst auf dem Hof, später auf der Wache festgehalten.

Ines Koenen lebt seit Jahren im Kiez um die Mainzer Straße. Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen und der Hetze in den Medien hat sich die Stimmung in der Nachbarschaft gegen die BesetzerInnen erheblich verschärft. „Die Lauten können sich Gehör verschaffen und die Stimmung machen.“ Einhellig ist die Ablehnung aber nicht. Es gibt auch AnwohnerInnen, die sich spontan mit den BesetzerInnen solidarisiert hätten und versucht hätten, den „Gewalteinsatz zu verhindern“.

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte es verschiedene Initiativen gegeben, zwischen Bezirksverwaltung, BesetzerInnen und NachbarInnenschaft zu vermitteln. Zunächst war es dem lokalen runden Tisch gelungen, die geplante Sprengung der Mainzer Straße zu verhindern. Nach der Wahl der Stadtbezirksversammlung wurden mehrere Räumungsanträge der CDU abgeschmettert. Es fand sich eine Projektgruppe aus Abgeordneten, Stadtbaurat, BesetzerInnen und der Wohnungsbaugesellschaft zusammen. Eine Gruppe arbeitete zum Thema Wohnen im Kiez allgemein, um auch „die Toleranzbereitschaft der Bevölkerung“ zu wecken. Diese Ansätze seien „jetzt natürlich kaputt“.

Ines Koenen ist es wichtig, daß die Verhandlungsbereitschaft wiederhergestellt wird, obwohl sie die Chancen dafür im Moment als sehr gering einschätzt. Unter den BesetzerInnen gebe es zwar durchaus einen Teil, der dazu bereit sei, „aber der Schock über den bürgerkriegsähnlichen Zustand hält noch an“.

Ines Koenen gibt zu, daß sie mit bestimmten Formen der Militanz Probleme hat, sie nicht tolerieren kann. „Ich möchte aber nicht weiter nachfragen, wo die Grenzen sind zwischen Hausbesetzung und autonomen Lebensformen. Wichtig ist, daß die Forderungen der Leute in der Mainzer Straße nach Sanierungskonzepten und eigenen, gemeinschaftlichen Lebensformen in der Bevölkerung und bei den PolitikerInnen auf Bereitschaft stoßen.“ Und sie „kann unter Umständen verstehen, daß in einer Situation der Ohnmacht, der Angst und des Sichwehrenmüssens zu äußersten Mitteln gegriffen wird“. Ulrike Helwerth