„Was sind Mollis gegen Knarren?“

■ Ost-Berlins Oberbürgermeister Schwierzina und Ex-Besetzer der Mainzer Straße stellten sich nach der Räumung am Mittwoch der Presse/ Schwere Verletzungen bei den Ex-Besetzern

Berlin (taz) — Zwei Tage nach der Räumung der Mainzer Straße traten gestern der Ostberliner Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) und der Stadtrat für Regionalplanung Thurmann (SPD) zum ersten Mal vor die Presse. „Wir haben alle erforderlichen Schritte getan, um den Sorgen der Bürger in der Mainzer Straße vor einer zweiten Hafenstraße zu begegnen“, erklärte der kleine Oberbürgermeister, hochrot im Gesicht, und tat damit so, als hätte ihn der Berliner Innensenator Pätzold vor der Räumung gefragt. Ob dem wirklich so war, blieb unklar. Schwierzina ließ aber keinen Zweifel daran, daß er die Entscheidung für richtig hält: In der Mainzer Straße habe „ein unberechenbares Gewaltpotential gelebt, das das Faustrecht einführen wollte“.

Clemens Thurmann bezeichnete die Wohnungslosigkeit der Hausbesetzer als „Legende“. Er wartete mit einer Liste auf, die Aufschluß über die Herkunft der festgenommenen Hausbesetzer geben sollte: Demnach kamen von den 354 bei der Räumung festgenommenen Personen 192 aus West-Berlin oder dem Altbundesgebiet, 52 aus Ost-Berlin. Nur elf hatten keine Meldeanschrift. Thurmanns kühner Schluß: Wer eine Meldeanschrift hat, kann nicht wohnungslos sein.

Nach Angaben von Thurmann schreiten die Verhandlungen über die übrigen 113 besetzten Häusern seit der Räumung der Mainzer Straße zügig voran. Für 13 Häuser seien bereits Verträge abgeschlossen, 53 weitere in Vorbereitung. Schwierzina beteuerte den Willen zur friedlichen Lösung, wenn die Besetzung vor dem 24. Juli erfolgt sei. Auch für die bis zum 3. Oktober besetzten Häuser gäbe es noch einen kleinen Verhandlungsspielraum.

Wenige Stunden zuvor hatten sich einige der geräumten Besetzer von der Mainzer Straße der Presse gestellt. Ein blonder, strubbelhaariger junger Mann, der sich als Vertreter des Straßenplenums vorstellte, betonte, der Polizeieinsatz und die Festnahmen seien „ultrabrutal“ abgelaufen. Die schlimmsten Verletzungen: zwei Schußverletzungen, Nasenbeinbrüche, Milzriß und Rippenbrüche. Die Besetzer seien am Montag erst von sich aus „aktiv“ geworden, als „die Bullen mit Tränengas und Wasserwerfern voll in die Mainzer Straße hieingeballert haben“.

Die Entscheidung, sich bei der Räumung zur Wehr zu setzten, begründet der junge Mann damit: „Wir wollten, daß sie sich so lange wie möglich hinzieht.“ Mompers Vorwurf, sie seien zur Tötung von Menschen bereit, gab eine junge Frau an die Poizei weiter: „Was sind denn Mollies gegen scharfe Munition, Blendgrantanen und Gummigeschosse!“ Ein anderer Ex-Besetzer nickte zustimmend: „Nicht wir haben provoziert, sondern die Polizei.“ Plutonia Plarre