Gleichklang von Ton und Taktik

■ Gespräch mit Matthias Osterwold von den Freunden Guter Musik e.V. über Perspektiven der Berliner Musik

Noch bis Mittwoch läuft an verschiedenen Orten der Stadt die von den Freunden Guter Musik e.V. veranstaltete »Urbane Aboriginale Lokal VI«. Schwerpunkt dieses Festivals von experimenteller Musik und Performances (siehe auch taz von gestern) ist — wegen der neuen Situation in Berlin — in diesem Jahr die »lokale Sichtweise«, also Berliner Künstler und Künstler in Berlin. Die taz sprach mit Mitorganisator Matthias Osterwold über Situation und Perspektiven für Musiker und Performer in Berlin.

taz: Ist dieser Blick auf die Stadt Berlin auch einer Art »Jetzt-erst- recht-Stimmung« entsprungen? Um zu zeigen, was hier entstanden und gewachsen ist an Musik und was kaputtgehen könnte, wenn diese Stadt zum Spekulationsobjekt wird?

Matthias Osterwold: Wenn überhaupt ein günstiger Zeitpunkt ist, mit Berliner Musikern was zu machen, dann jetzt — im Übergang, wo die Linien, die Trends nicht klar sind. Einmal, mit Bewährtem zu zeigen, was sich hier entwickelt hat, aber auch, Produktionen zu haben, die hier debütieren. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe, dafür ein Forum zur Verfügung zu stellen im Rahmen eines solchen Festivals.

Was sagen Sie zu der Diskussion um neue Konzepte für Festivals wie JazzFest oder Jazz In The Garden?

Ich glaube, daß man, was das JazzFest betrifft, eine neue Positionsbestimmung vornehmen muß wie mit anderen Festivalereignissen in Berlin auch. Die waren ja mit einer ganz bestimmten Funktion und Konzeption ausgestattet, nämlich Berlin für die Auswärtigen interessant zu machen, eine Art Touristenattraktion zu sein. Und diese Funktionen fallen jetzt alle weg, und deshalb meine ich, könnte man diese Festivals stärker an das anbinden, was in der Stadt tatsächlich lebendig ist im kulturellen Bereich. Beim JazzFest war Festivalstimmung in diesem Jahr eigentlich nur beim Nachschlag im Haus der Jungen Talente. Eine Atmosphäre, die vielleicht noch DDR- typisch ist. Mit vielen verschiedenen Spielorten, alle waren da, es war sehr lebendig, proppevoll, viele Musiker waren auch im Publikum. Das war das, was man unter Festival versteht, wenn damit mehr gemeint ist, als einfach nur Konzerte vorzuführen. Interessant und auch gut für das Haus der jungen Talente, wo Jazzkonzerte Tradition haben. Ich hoffe, daß das erhalten bleibt.

Sehen Sie Möglichkeiten oder Initiativen, offensiv solche Plätze zu verteidigen, bevor die Ostberliner Klubs auch noch den Finanzstreichungen zum Opfer fallen?

Ich habe mir seit vielen Jahren gewünscht, daß es so was geben könnte wie eine Interessenvertretung, eine Kooperation der Veranstalter im Bereich der »neuen Musiken«. Jetzt, nach der Öffnung der Stadt, ist eine solche Initiative gegründet worden, an der Ost- wie Westberliner Ensembles und Institutionen beteiligt sind. Der Schwerpunkt liegt auf freien Gruppen. Es ist auch ein Anliegen, den Begriff der freien Gruppe auch auf den Musikbereich zu übertragen. Das Erfreuliche ist, daß sich diese Interessenten so zusammengefunden haben, daß es keine inhaltlich-ästhetischen Vorgaben gibt, sondern daß man sich einfach als Interessenverband versteht, damit man sich nicht gegenseitig Konkurrenz macht bei der Vergabe von Geldern. Damit man sich gemeinsam an den Senat wenden kann, um mehr Geld für Neue Musik zu erstreiten. Dieser Begriff ist sehr weit gefaßt: von etablierten Formen neuer Musik als Interpretenmusik bis hin zu improvisierter Musik und zu dem, was wir machen mit experimentellen Musikern, die nicht direkt klassifizierbar sind. Das geht vom Komponistenverband in Ost-Berlin bis zur Akademie der Künste West, die Insel Musik ist dabei, die Gruppe Neue Musik, die »Küche«, der Gianozzo-Kunstverein.

Was hat die Initiative konkret vor?

Ein Vorbild ist das »Spot« als Interessenverband der Theaterszene. Budgetkürzungen drohen, das Ansehen der Neuen Musik in den Ohren und Augen der Politiker ist ziemlich gering. Ferner geht es uns um die Infrastruktur, um Spielstätten. In Kreuzberg läuft der große Verdrängungswettbewerb. Probenräume werden sehr viel teurer. Hier in Kreuzberg, das ja nun einer der Hauptstandorte für Kultur und Musik war, spielen sie alle verrückt. Gewerbemieterschutz ist notwendig, sonst kann man sich hier gute Nacht sagen. Arbeit und Existenz hängen für viele Leute ab von der Verfügbarkeit von Gewerberäumen zu moderaten Mieten.

Die Freunde Guter Musik haben selber eine Fabriketage in SO36 gemietet, wo auch schon häufig Konzerte veranstaltet worden sind. Gibt es da auch Schwierigkeiten?

Wir haben die Räume hier im Institut Unzeit schon seit sieben Jahren. Jetzt sind wir gekündigt worden, obwohl wir die wesentlich erhöhte Miete sogar zahlen können. Das Argument lautet einfach: Wir wollen hier keine kulturelle Nutzung mehr haben, keinen Publikumsverkehr. Wir sollen hier rausgedrängt werden, obwohl uns sogar erhebliche öffentliche Mittel zu Verfügung stehen würden, um die Räume hier für Performances, für Proben und Workshops im Bereich Musik und Tanztheater herzurichten und damit eine in Berlin sonst noch nicht vorhandene Konstellation mit Arbeit und Aufführung aus Tanz und Musik zu haben.

Auch das Blockshock ist ja inzwischen völlig von der Bildfläche verschwunden, nachdem es erst von 36 nach 61 umgesiedelt war und sich dann alle Behörden und Vermieter gemeinsam gegen sie verschworen zu haben schienen.

Ja, immer die Sachen, die gut funktionieren, werden verdrängt, weil sie auffälliger sind und etwas mehr Belastung verursachen.

Gibt es einen Behördenkrieg gegen die Kulturarbeit?

Was die Kulturverwaltung selbst betrifft, kann man das wohl nicht sagen. Dort wird im Rahmen der Möglichkeiten versucht, Räumlichkeiten und Spielstätten zu erhalten. Aber es gibt eben auch andere Behörden... Interview: Andreas Becker