Vor dem Rücktritt flossen Tränen

■ Michaele Schreyer fiel der Abschied von der Umweltverwaltung schwer — den Mitarbeitern auch

Berlin. Der Abschied von der Macht tut weh. Das mußte Umweltsenatorin Michaele Schreyer gestern spüren. Sie brach nicht einfach in Tränen aus, als am Vormittag ihr Rücktritt vom Amt der Umweltsenatorin bevorstand. Nein, es war ein regelrechter Weinkrampf, von dem die grüne Politikerin kurz vor der Abfahrt vom Dienstgebäude in der Kreuzberger Lindenstraße geschüttelt wurde. Die Mitarbeiter faßten den schonenden Beschluß, auf eine Abschiedsfeier mit der Noch-Chefin vorerst zu verzichten. »Dann hätten wir vielleicht alle heulend dagestanden, und Michaele wäre mit roten Augen in die Pressekonferenz gekommen«, erörterte eine Mitarbeiterin Schreyers die möglichen Folgen größerer Zelebritäten.

Ein Angestellter, von Schreyer als Atomexperte in die Behörde geholt, tröstete die Senatorin mit Butterkeksen. Und immer wieder klingelte im Stab der Senatorin das Telefon, klopften Verwaltungsmitarbeiter an die Tür: alle mit dem Ziel, die Schreyer-Crew moralisch aufzurichten. In der ohnehin stark mit Alternativen und linken Sozialdemokraten durchsetzten Verwaltung tanzten selbst diejenigen nicht auf den Tischen, deren Herz traditionell eher christ- oder freidemokratisch schlägt. Schließlich, so hieß es, habe die ganze Behörde unter der grünen Führung an Profil gewonnen.

Alte Hasen rechneten gestern trotz allem mit wenig Änderungen in der Politik der Behörde: Die Stadtplaner in der Lindenstraße stünden seit jeher im Clinch mit der Baubehörde oder der Wirtschaftsverwaltung — und dabei werde es bleiben. Traditionelle Positionen einer Behörde seien allemal bestimmender als die Köpfe an der Spitze. Freilich wurde ein der FDP angehörender Abteilungsleiter gestern dabei beobachtet, wie er in seinem Büro eigenhändig mit dem Staubsauger hantierte. Offenbar rechnete er zumindest mit dem Einzug neuer Sauberkeitsmaßstäbe.

Und offensichtlich kam der Machtwechsel für viele im Haus überraschend. Die AL habe, einmal an der Macht, ein Beharrungsvermögen gezeigt, von dem sich andere Parteien etwas abschneiden könnten, lästerte noch letzten Donnerstag ein Abteilungsleiter, der selbst ebenfalls Inhaber eines freidemokratischen Parteibuchs ist.

Pünktlich um 15 Uhr 30 marschierte dann der Nachfolger ein, SPD-Finanzsenator Norbert Meisner. Schreyer traf er zunächst gar nicht an, sie steckte auf dem Rückweg vom Rathaus Schöneberg im Stau. Schon gestern rief Meisner die Abteilungsleiter zu einer außerplanmäßigen Sitzung zusammen. »Dieser ganze Bereich ist schlichtweg zu gewichtig, als daß man ihn führungslos lassen könnte«, begründete Meisners persönlicher Referent Lothar Stock diesen Eifer. Stock wird in Meisners Auftrag das Senatorenbüro in der Umweltverwaltung leiten. Leicht mißtrauisch blickte er gestern auf den siebenköpfigen Referentenstab, den Schreyer zusammen mit dem ebenfalls vorerst weiteramtierenden Staatssekretär Klaus Groth hinterläßt: »Ein gigantisch großer Stab«, staunte Stock — und sperrte die Referenten von der Abteilungsleitersitzung erst mal aus. hmt