Doch kein Mißtrauen gegen Momper

■ Die AL erwägt nach Tuchfühlung mit der Basis, ihren Antrag gegen Momper zurückzuziehen/ CDU will ohnehin nicht mehr mitziehen

Berlin. Betretene Mienen bei der AL, Tränen bei der Verabschiedung ihrer Senatorinnen, harte Worte von der SPD und Umfallen der CDU: Die Stimmung im Schöneberger Rathaus war gestern gespannt wie selten. Walter Momper wird voraussichtlich bis zur Wahl des neuen Senats Regierender Bürgermeister bleiben: Übers Wochenende ist die Entschlossenheit der AL, den Regierenden per Mißtrauensvotum zu stürzen, ins Wanken geraten. Viele ALer hatten Kontakt zur vielgerühmten Basis, die zwar viel Verständnis für den Koalitionsbruch, aber so gut wie keines für den angekündigten Mißtrauensantrag hat. Die Vorstellung, eventuell mit den »Republikanern« den Regierenden abzuwählen, findet in der Basis und im Wahlvolk wenig Gegenliebe — sind damit doch so gut wie alle Chancen für eine Neuauflage von Rot-Grün nach dem 2. Dezember verbaut. Ergebnis dieser Basisfühlung war eine erneute Sondersitzung der Fraktion gestern morgen, in der die Stimmung kippte. Auf Antrag des Parteivorstandes, der noch letzte Woche mehrheitlich dem Mißtrauensvotum zugestimmt hatte, wurde für gestern abend der Delegiertenrat einberufen, um über den Antrag zu beraten. Und dort zeigte sich am Abend eine breite Mehrheit gegen das Mißtrauensvotum — niemand möchte gemeinsam mit den Reps gegen Momper vorgehen. AL-Abgeordneter Michael Haberkorn räumte gestern ein, daß das Verhalten der AL „nicht das Gelbe vom Ei einer durchgehenden Linie“ sei.

Auch die CDU machte gestern eine Kehrtwendung: Entgegen ihren jüngsten Äußerungen verkündete Eberhard Diepgen, die CDU werde zu der entsprechenden Sitzung gar nicht erst erscheinen, sondern in dieser Zeit lieber Wahlkampf machen. Mit dieser Entscheidung ist auch in der CDU-Fraktion Unruhe ausgebrochen, denn gut die Hälfte der Abgeordneten ist mit ihr nicht einverstanden; getroffen wurde sie doch formal nur vom Fraktionsvorstand.

Das Klima zwischen den Ex-Partnern ist so belastet wie nie zuvor: Die drei AL-Senatorinnen forderten bei ihrem gestrigen Rücktritt die SPD auf, einen Runden Tisch zur Lösung der Hausbesetzungen einzusetzen, während dessen Arbeit keine weiteren Räumungen stattfinden sollten. Die SPD-Spitze konterte umgehend: Für Senatssprecher Kolhoff gebe es keinerlei Grund für ein solches Gremium, der Senat halte aber weiter an einer friedlichen Lösung des Problems fest.

Der Wunsch von Ex-Umweltsenatorin Schreyer, der bei ihrer Abschiedspressekonferenz die Tränen in den Augen standen, im nächsten Senat wieder Senatorin zu werden, war bei der gestrigen Stimmung im Schöneberger Rathaus nur als unrealistisch einzustufen. Auch SPD- Fraktionschef Ditmar Staffelt fand nach den deutlichen Äußerungen von Momper am Wochenende in der taz scharfe Worte: „Egal ob ein Mißtrauensvotum stattfindet oder nicht, die Zusammenarbeit mit der SPD ist verschüttet“. Nach dem 2. Dezember könne man nicht einfach wieder zur Tagesordnung zurückkehren.

Unterdessen hat Momper Senatsmitglieder mit der kommissarischen Wahrnehmung der freigewordenen Ressorts beauftragt. Gesundheitssenatorin Stahmer wird Anne Kleins Posten übernehmen, Finanzsenator Meisner das Ressort Stadtentwicklung und Umweltschutz und Heide Pfarr Schule, Berufsbildung und Sport. KD