: Ein Toter taucht wieder auf
Drei Jahre nach seinem Verschwinden wurde der Körper eines toten Rekruten gefunden/ Vater berichtet von Problemen mit Vorgesetzten ■ Aus Madrid Antje Bauer
Ein Soldat verschwindet während eines Manövers ins Gebüsch, um ein Geschäft zu erledigen und taucht nicht wieder auf. Militärs und Zivilgardisten suchen mit Hunden und Helikoptern das Gelände ab — doch der Soldat bleibt verschwunden. Privatpersonen, darunter seinen Eltern, wird die Suche nach dem Körper untersagt. Der Verschwundene wird zunächst zum Deserteur und danach zum Aufständischen erklärt.
Dreieinhalb Jahre später, am 11. November 1990, findet plötzlich ein Jäger menschliche Knochen im Gebüsch, just dort, wo der Soldat zuletzt gesehen worden war. Anhand eines metallenen Knocheninlays wird der Soldat Jose Maria Carnero, 27 Jahre alt, identifiziert. Begraben wurde der Körper offenbar nicht, denn er trägt nur Staubspuren an einer Seite des Körpers. Hat er dreieinhalb Jahre auf dem Manöverfeld in der Provinz Zamora gelegen, der brütenden Sommerhitze, winterlicher Kälte und streunenden Tieren ausgesetzt? Und wieso war sein Kopf von seinem Körper abgetrennt und offenbar die Schädeldecke nicht mehr heil?
Militärbehörden und Ärzte wollen sich bislang nicht zu den möglichen Todesursachen äußern. Seine Eltern glauben jedoch nicht an einen Selbstmord, sondern verweisen auf die Schwierigkeiten, die der Rekrut mit seinen Vorgesetzten hatte. Ein Hauptmann habe sich bei ihm beklagt, sein Sohn sei sehr dickköpfig, berichtet der Vater des Toten. Er ist felsenfest davon überzeugt, daß sein Sohn eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Wieso hätten sich sonst die Rekruten, die mit ihm den Militärdienst ableisteten, geweigert, dazu auszusagen? Wieso sei ihm nicht gestattet worden, auf dem Gelände nach seinem Sohn zu suchen? Wieso hatten Nachbarn in der Nacht des Verschwindens zunächst einen einzelnen Schuß und dann eine Maschinengewehrsalve gehört?
Der Anwalt der Eltern, Jaime Sanz de Bremond, ist zwar vorsichtiger in seinen Äußerungen, jedoch findet auch er es merkwürdig, wie die Militärbehörden den Fall an sich zu ziehen versuchen, obwohl, falls es sich um Mord handelt, eindeutig ein ziviles Gericht zuständig ist. Tatsächlich haben die Militärs bislang einen merkwürdigen Eifer an den Tag gelegt: Als der Zivilrichter am vorletzten Sonntag nachmittag am Ort des Fundes eintraf, hatten die Zivilgardisten bereits die in einem Umkreis von 30 Metern verstreuten Knochen eingesammelt und in Plastiktüten verpackt. Auch die Ermittlungen will der Militärrichter an sich ziehen: Zum Donnerstag wurden die Eltern des Toten zur Zeugenaussage vor den Militärrichter geladen, kamen jedoch der Ladung aufgrund eines Rats des Anwalts nicht nach.
Ob Mord oder Unfall — der Tod des Rekruten wirft erneut ein grelles Licht auf die verheerenden Zustände im spanischen Militär. Erst am Tag vor dem grausigen Fund wurde in Madrid ein junger Soldat begraben, der aufgrund einer Nervenkrise gestorben war. Er ist nur einer von zahlreichen Todesfällen und Selbstmorden wegen demütigender Behandlung, sei es durch die Vorgesetzten, sei es durch ältere Soldaten. Gedeckt wird diese Behandlung zumeist durch die Militärbehörden selbst — im Namen der Disziplin.
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