Für türkische Gefangene gehungert

Ein Infostand im Nieselregen gleich neben der Domplatte, etwas abseits jedoch vom Strom der plastiktütenbehängten EinkäuferInnen, die unterwegs zwischen Bahnhof und Hohe Straße sind. Das Dutzend Menschen hinter dem Tisch — bedeutend mehr Männer als Frauen — trägt weiße Oberteile über den dicken Jacken: „Hungerstreik“ prangt in großen Lettern darauf. Es sind AktivistInnen des TAYAD, des „Hilfsvereins für die Gefangenen und Verurteilten in der Türkei“.

Ein Wochenende lang verweigerten sie jegliche Nahrung, um auf die Situation in türkischen Gefängnissen aufmerksam zu machen. Dort sind laut TAYAD 270 politische Gefangene schon über einen Monat lang im Hungerstreik, weitere 123 Häftlinge haben bis letzten Donnerstag fünf Wochen lang nichts gegessen. Der Grund: 157 politischen Inhaftierten droht die türkische Regierung damit, ihr Todesurteil — teilweise vor Jahren ausgesprochen — zu vollstrecken. Nachdem vor sechs Jahren die letzte Hinrichtung in der Türkei stattgefunden hatte, dienen nun insgesamt 260 zum Tode Verurteilte der Regierung als Druckmittel gegen die immer heftigeren Proteste in der Bevölkerung: Entweder die Opposition halte sich zürück oder die Gefangenen müßten sterben.

Gleichzeitig entstehen neue Gefängnisse für die politischen Häftlinge, mit Isolationstrakten, welche die — derzeit gängigen — Großzellen für 20 Menschen ersetzen sollen. „Das türkische Wort für Einzelhaft ist Todeszelle“, sagt ein junger Mann im TAYAD-Büro, unweit der Kölner Innenstadt. Er will seinen Namen nicht verraten aus Angst, bei einer Reise in sein Herkunftsland sofort gefaßt zu werden. „In der Bundesrepublik wird die Türkei als demokratisches Land angesehen“, meint er, „aber was dort geschieht, hat mit Demokratie nichts zu tun.“

Sechs Gymnasiasten wurden unlängst zu 24 Jahren Haft verurteilt, weil sie „Nein zum imperialistischen Krieg“ an eine Wand gesprüht hatten. Regierungsfeindliche Vereine müssen sich gegen eine massive Behinderung ihrer Arbeit wehren, und Folter in den Gefängnissen ist an der Tagesordnung.

Dennoch treibt das die TAYAD- Leute nicht in die Resignation: „Wir können doch nicht hier sitzen, und zusehen und nichts tun“, sagt eine Zehntklässlerin. Sie ist eigens aus Dortmund zum Streiken nach Köln gekommen. Ina Kerner