KSZE ohne weiterreichende Kompetenzen

De Cuellar: KSZE soll Waffenexporte in die Dritte Welt unterbinden/ Abkommen über konventionelle Abrüstung in Europa unterzeichnet/ Wichtige Randthemen: Golfkonflikt und Gatt  ■ Aus Paris Andreas Zumach

„Die Stabilität im Norden steht auf tönernen Füßen, solange der Süden leer ausgeht.“ Mit diesen Worten ermahnte UN-Generalsekretär Perez de Cuellar gestern die 34 KSZE- Staaten aus Europa und Nordamerika zum Auftakt ihres dreitägigen Pariser Gipfeltreffens, sich nicht ausschließlich auf ihre eigene Region zu konzentrieren. Vor Beginn des Gipfels unterzeichneten die Staats-und Regierungschefs der 22 Mitgliedsländer von Nato und Warschauer Vertrag (WVO) den Vertrag zur Reduzierung konventioneller Streitkräfte in Europa (VKSE).

De Cuellar erklärte, aus der Vergangenheit der meisten KSZE-Staaten als „Kolonialherren“ ergebe sich ihre „künftige Verpflichtung“ für den Süden. Er hoffe auf „ein KSZE- Abkommen, durch das Waffenexporte an Länder außerhalb der KSZE verhindert werden“. Unter ausdrücklichem Verweis auf den „bereits seit 27 Jahren andauernden Skandal um Zypern“ äußerte der UN-Generalsekretär die Erwartung, daß die KSZE zur friedlichen Lösung innereuropäischer Konflikte beitragen wird. In seiner Eröffnungsrede verglich der französische Staatspräsident Mitterrand das KSZE-Gipfeltreffen in seiner Bedeutung mit dem Wiener Kongreß von 1815. Anders als vor 175 Jahren säßen jetzt in Paris allerdings „keine Sieger und Besiegte am Tisch, sondern 34 in ihrer Würde gleiche Staaten“.

Mitterrand erklärte, die militärische Bedrohung sei „noch immer nicht völlig aus Europa verschwunden“. Auch nach dem VKSE-Abkommen lagere „noch zu viel Kriegsgerät auf dem Kontinent“. Das Hauptproblem liege heute jedoch „in den ökonomischen und ökologischen Bedrohungen der jungen Demokratien Osteuropas“.

Gemessen an diesen Ansprüchen und Aufgabenbeschreibungen fallen die Beschlüsse zur Institutionalisierung der KSZE sehr mager aus, die am Mittwoch im Rahmen der Schlußerklärung des Gipfels verabschiedet werden sollen. Geplant ist die Einrichtung eines mit maximal zehn Personen ausgestatteten ständigen KSZE-Sekretariats in Prag. Das für Wien vorgesehene Zentrum für Konflikterverhütung erhält kein konkretes Mandat zum Eingreifen in innereuropäische Krisen oder auch nur zur Überwachung von Rüstungskontroll- und anderen Abkommen. In Warschau wird ein „KSZE-Büro für freie Wahlen“ eingerichtet.

Einmal jährlich treffen sich künftig die KSZE-Außenminister, das erste Mal im Juni 1991 in Berlin. Die vor allem von den Staaten Osteuropas gewünschte Schaffung eines gesamteuropäischen Sicherheitsforums wird nicht konkret ins Auge gefaßt. Die Schlußerklärung sieht hierzu lediglich „Diskussionen und Beratungen“ vor.

Gegen die Übertragung weiterreichender Kompetenzen an die KSZE hatten sich vor allem die USA gesperrt. Die Nato werde an Bedeutung verlieren und damit die USA an Einfluß in Europa, lautet die Befürchtung in Washington. Auch Großbritannien und Frankreich sperrten sich gegen allzu konkrete Kompetenzübertragungen. Entgegen zahlreichen anderslautenden Erklärungen setzte sich auch die Bonner Regierung nicht sehr hartnäckig dafür ein.

Als Folge des gestern unterzeichneten VKSE-Abkommens soll bis Ende 1993 der heutige Bestand an Panzern, Artilleriesystemen, Infanteriefahrzeugen sowie Kampfflugzeugen und —hubschraubern in der Region zwischen Atlantik und Ural um rund 25 Prozent verringert werden. Für die Überwachung der dann geltenden Obergrenzen ist ein umfangreiches Inspektions- und Verifikationsregime vorgesehen. Ab Montag nächster Woche verhandeln die 22 Nato- und WVO-Staaten in Wien über weitere Reduzierungen in diesen fünf Waffenkategorien sowie bei den Soldatenzahlen.

Am Rande des Gipfels finden zahlreiche bi- und multilaterale Treffen der Staats-und Regierungschefs zur Beratung der Golfkrise sowie zu den festgefahrenen Gatt-Verhandlungen statt. Der britische Außenminister Hurd erklärte nach einer Begegnung mit seinem US-amerikanischen Kollegen Baker, die Vorarbeiten für eine neue Resolution des UN- Sicherheitsrats, in der ausdrücklich eine Anwendung militärischer Gewalt gegen Irak sanktioniert wird, liefen „sehr gut“.

Die Unterzeichnung einer „transatlantischen Erklärung“ durch Baker und den ebenfalls in Paris als Beobachter teilnehmenden Präsidenten der EG-Kommission, Delors, galt gestern als sicher — und als Bekräftigung des guten Willens, die vor allem am Streit über den Abbau von Agrarsubventionen festgefahrenen Gatt-Verhandlungen doch noch wie vorgesehen Anfang Dezember mit einem Abkommen zu beschließen.

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