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Der Intendant, sein Auto und die Frauen

Rundfunkrat-Sitzung des SFB: Sender formal für ganz Berlin zuständig/ Beschluß zum ARD-Finanzausgleich/ „Jein“ für Europäischen Kulturkanal/ Mehr Frauenkommentare  ■ Aus Berlin Ute Thon

Schuld an allem waren mal wieder die Journalisten. Auf der SFB- Rundfunkrat-Sitzung am vergangenen Montag wurde zurechtgerückt, was in den vergangenen Wochen durch eine leichtfertige Äußerung der Berliner Kultursenatorin ins Wanken geraten war: die Gebietsansprüche des SFB. Frau Martiny hatte, offenbar in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage, den Alleinvertretungsanspruch des SFB für die gesamte Region öffentlich in Frage gestellt. Sie sei in der Presse falsch zitiert worden, äußerte sie nun gegenüber dem SFB, nachdem Rundfunkrat und Intendanz auf ein Gespräch gedrängt hatten. Natürlich sei der SFB formal für ganz Berlin zuständig und sie begrüße die Gründung einer Mehrländeranstalt, bei der „die publizistische und wirtschaftliche Substanz des SFB erhalten bleiben müsse“. Soweit also alles wieder in Butter, berichtete Rundfunk-Ratsvorsitzende Gabriele Wiechatzek über ihre Zusammenkunft mit der Kulturfrau. Derweil begibt sich der SFB schon fleißig auf die Suche nach Partnern für den Aufbau einer Mehrländeranstalt. Intendant Günter von Lojewski verkündete den Rundfunk-Ratsmitgliedern, daß Gespräche mit den rundfunkpolitisch Verantwortlichen der neuen Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bereits angelaufen seien.

Verärgert reagierte das SFB- Rundfunkräte auf das Verhalten ihrer Hamburger Kollegen. Der Verwaltungsrat des NDR forderte unlängst nämlich die Neuregelung des ARD-Finanzausgleichs zu Lasten Berlins, da mit der Vereinigung Deutschlands die alte Geschäftsgrundlage entfalle. Zwar habe die Forderung des NDR für den SFB keine Relevanz, da der derzeitige Finanzausgleich bis 1992 vertraglich gewährleistet sei, betonte Wiechatzek, doch in den Hamburger Überlegungen spiegelten sich zwei bedenkliche Tendenzen, die zunehmende „Entsolidarisierung der ARD“ und „überlieferte Vorurteile gegen die vermeintliche Sonderrolle Berlins“. Für die ARD-Hauptversammlung Ende November in Frankfurt gaben die SFB-Rundfunkratsmitglieder ihrem Intendanten deshalb eine Entschließung mit auf dem Weg, in der sie Verhandlungen über eine Veränderung des Finanzausgleichs „erst nach einer Neuordnung der Rundfunklandschaft“ fordern.

Kein grünes Licht gaben die Ratsmitglieder von Lojewski in Sachen „Europäischer Kulturkanal“. Dieses Projekt, von den ARD-Anstalten zunächst als deutsch-französiches Unternehmen geplant, und nun aufgrund der neuen politischen Lage auf europäischen Zuschnitt gebracht, dümpelt seit Jahren vor sich hin. Der Verwaltungratsvorsitzende Hartmann Kleiner äußerte angesichts der angespannten Haushaltslage des SFB starke Bedenken gegen das Unternehmen und selbst der Vertreter des Berliner Kulturrates empfand „großes Unbehagen“ gegenüber dem Projekt. Da half auch die Ermahnung, daß mittlerweile bereits alle ARD-Anstalten außer dem WDR und dem SFB ihre Zustimmung erteilt hätten, nicht weiter. Es blieb beim unentschlossenen „Jein“, ganz zum Unmut des Intendanten, der schon davon träumt, 1991 auf der Funkausstellung in Berlin den Startschuß für das europäische Kulturprogramm geben zu können.

Unmut erzeugte bei ihm auch eine Zwischenfrage zum Tagesordnungspunkt 4. Ob sich der Intendant auf Kosten des Hauses ein neues Auto angeschafft habe, wollte Rundfunk- Ratsmitglied Michael Pagels angesichts der Diskussion über einen Nachtrasgswirtschaftsplan in Höhe von 850.000 DM wissen. Eine öffentliche Rundfunkrat-Sitzung sei wohl nicht der geeignete Ort, um darüber Rechenschaft abzulegen, antwortete von Lojewski gereizt. Im übrigen hätte der Autokauf nichts mit dem Nachtragshaushalt zu tun. Der Berliner DGB-Chef hatte mit seiner Frage nicht auf einen Finanzskandal sondern auf eine Provinzposse angespielt. Vor Monaten hatte der SFB- Intendant sein Auto nachts im Halteverbot abgestellt, am darauffolgenden Morgen nicht mehr dort vorgefunden und darum als gestohlen gemeldet. Zwei Wochen später, ein neuer Dienstwagen war bereits geordert, fand sich das „gestohlene“ Auto wieder an. Die Polizei hatte es in der Nacht lediglich 300 Meter umgesetzt, dem SFB-Intendanten davon aber nicht unterrichtet. Mit den Folgen des polizeilichen „Diebstahls“ beschäftigt sich nun die Versicherung. Die Leasing-Raten für den neuen Mercedes werden den SFB- Haushalt 1991 belasten. Nachdem Kleiner vesicherte, daß es sich bei dem Nachtrag um einen „Nachschlag“ auf den Personaletat wegen der neuen Tarifabschlüsse handele, stimmten die Ratsmitglieder der Vorlage schließlich zu.

Zum Schluß gab's noch ein Bonbon für die SFB-Frauen. Wahrscheinlich weil die meisten Rundfunkräte schon ans Heimgehen dachten, wurde bei nur vier (männlichen) Enthaltungen ein Antrag der Arbeitsgruppe „Frauen und Medien“ angenommen, nachdem in Zukunft im Hörfunk sichergestellt werden soll, daß mehr Kommentare an Frauen vergeben werden. Betrübliche Bilanz von 1989: von 535 Kommentaren wurden nur ganze 23 von Frauen gesprochen.

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