Häuserräumungen in Berlin

Offener Brief an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper

[...] Die Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland sind nach Ihrer offiziellen Charakterisierung zum Schutz des Lebens und der freiheitlichen Grund- sowie sonstigen Rechte vorhanden. Der Schutz des Lebens hat in dieser Skala als erste Grundvoraussetzung jedoch den Vorrang. Aus diesem Grunde sind auch gesetzliche Regelungen vorhanden, die es ermöglichen sollen, in Ausnahmesituationen den Schutz des Lebens von Bürgern zu gewährleisten, auch wenn dadurch vorübergehend die extrateren Rechte dieser Personen oder anderer Personen in gesicherter Lebensposition beeinträchtigt werden.

Das Leben von Menschen ist beispielsweise in höchster Gefahr, wenn sie direkt vor den Wintermonaten bei aussichtslosem Wohnungsmarkt und völliger Überlastung der Wohnungsämter ihres Wohnraumes beraubt werden sollen. [...] Es wäre daher das Recht und die Pflicht der rechtsstaatlichen Organe, in dieser offensichtlichen katastrophenähnlichen Notlage die Gesetze zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (also zum Schutz des Lebens aller Bürger) anzuwenden. Dies würde hier bedeuten, daß der Verbleib der von lebensgefährlicher Wohnungslosigkeit bedrohten Bürger [...] bis zur Bereitstellung anderen Wohnraumes oder durch Mietverträge unbedingt sicherzustellen ist.

Bürger eines Rechtsstaates, Herr Momper, müssen sich auf eine derartige Verfahrensform verlassen können. Wenn dies nicht geschieht, sondern die vordergründigen Besitzinteressen von finanziell unabhängigen Personen gegen das Lebensrecht betroffenen Menschen mit Hilfe staatlicher Gewalt durchgesetzt werden sollen, dann ist zunächst das Versagen der politischen Führung in ihrer rechtsstaatlichen Funktion festzustellen.

Ferner muß bedacht werden, daß der Akt einer dennoch stattfindenden Wohnungsräumung ein tiefes und vor allen Dingen gefährliches Unrecht darstellt, welches genaugenommen in dieser Form nicht hingenommen werden muß. Die Verteidigung der Wohnung ist spätestens in diesem Falle der Lebenswichtigkeit ein vitales Recht, das prinzipiell von niemandem in Frage gestellt werden kann. Das Ausspielen von Polizeigewalt gegen dieses Recht auf Leben bedeutet den Abschied vom Begriff der Rechtsstaatlichkeit.

Angesichts der zahlreichen Versuche der Hausbesetzer, sich ideell mitzuteilen [...], erscheint es mir nicht glaubhaft, daß von deren Seite durchweg keinerlei Verhandlungsbereitschaft bestanden hat.

Sie, Herr Momper sollten daher als erste Konsequenz aus Ihrer Handlungsweise Ihr Amt zur Verfügung stellen. [...] Major Tom

In Anbetracht der Wohnungsnot bei gleichzeitigem Leerstand von Wohnungen, derzeit ca. 25.000 Wohnungen allein im Ostteil Berlins, betrachten wir das Besetzen von leerstehenden Häusern als gerechtfertigte Selbsthilfemaßnahme beziehungsweise zwingende Notwendigkeit.

Wir als Schüler der Etage sind größtenteils selbst von Wohnungs- und Raumnot betroffen und befürworten Hausbesetzungen auch als Möglichkeit, kulturelle Freiräume zu schaffen, welche zum Teil in den jetzt besetzten und geräumten Häusern entstanden sind.

Wir verurteilen das maßlos brutale Eingreifen der Polizei im Zuge der ungerechtfertigten Räumungen.

Wir fordern, ein Ende der Kriminalisierung der HausbesetzerInnen und die sofortige Freilassung der in den letzten Tagen Festgenommenen! Solidarische SchülerInnen der Etage, Berlin

Eine derartige Räumung von Häusern in der Mainzer Straße bedeutet

—die bis aufs Komma genaue Ausführung der Forderungen Diepgens,

—und damit Pätzolds Eingeständnis, daß er tatsächlich „mit seiner Sicherheitspolitik am Ende ist“ — oder besser: aufgehört hat.

Wo bleibt die politische Weitsicht, der postulierte demokratische bürgernahe Regierungsstil, die Strategie der Deeskalation?

Die Maske ist runter! [...] Karsten Feucht, Berlin

[...] Wessen Ordnung muß da sein und für wen?

Im „neuen Lebensraum“ im Osten Deutschlands gibt es so viele Bruchbuden. Da find' ich's gut, wenn die Menschen sie mit Leben füllen. Gewalt ist das, seitdem „man“ sie nicht mehr läßt. Vor der Vereinigung von Dick und Doof waren Besetzungen in der DDR legal. Jetzt sind sie illegal... Christian Hoffmann, Bremen

betr.: „Momper hat's geschafft“: AL verläßt die Koalition“,

taz vom 16.11.90

[...] Das hätten wir der nibelungentreuen Partnerin gar nicht mehr zugetraut, die sogar die Kröte Domäne Dahlem geschluckt hat, sogar Daimler Benz und vieles andere! Ja, so gefällst du mir wieder Alte Listige! Nun sind meine Bauchschmerzen wie weggeblasen und die Fronten klar. [...] Frank Miething, Berlin

„50 Jahre Zurückhaltung sind genug“, sagte nicht nur einer der Bullen bei der PDS-Razzia im Oktober in Berlin, sondern ebenso die Sozialdemokraten Pätzold und Momper. Jetzt wird in die Hände gespuckt unter dem Motto „Rüstet auf zur Reichshauptstadt“. Und da läßt sich der Architekt Momper aus Bayerns Metropole nicht gerne vorwerfen, er würde nichts gegen eine „Hauptstadt Kreuzberg“ unternehmen. [...]

Die Glatze Momper schwadroniert über „mordlustige Chaoten“ in der Mainzer Straße. [...] Gleichzeitig rechtfertigt dieser Sozialdemokrat die Anwendung von Waffen wie Blendschockgranaten, chemischem Kampfgas und Gummigeschossen. Und da ist es auch scheißegal, ob die von Bullen aus Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen oder sonstwo abgefeuert werden. Sie bleiben was sie sind: Waffen zum Töten von Menschen. [...]

Und wofür das alles? Wenn's nicht schon längst bekannt und tausendmal gekaut worden wäre: Machterhalt, Allmachtphantasien, männlicher Größenwahn, Profitsucht. [...] M.Hoffmann, Bonn

Die Tendenz der taz-Berichterstattung zu diesem Thema kann ich ebensowenig akzeptieren wie das Verhalten der Alternativen Liste. Es ist einmal wesentliches Anliegen der grünen Bewegung gewesen, unter dem Banner der Gewaltfreiheit eine wirklich zivile Gesellschaft anzustreben. Daß die AL aufgrund einer fatalen Milieu-Hörigkeit mit dieser pazifistischen, bürgerrechtlichen Perspektive immer schon ihre Schwierigkeiten hatte, ist hinlänglich bekannt. Dennoch ist es erschütternd, daß sich nicht ein einziger Repräsentant der AL zu noch so zartester Kritik an Leuten aufraffen kann, die Betonplatten von Dächern werfen, Molotowcocktails durch die Gegend schleudern, Straßen aufreißen, ein bißchen „Beirut“ spielen und dabei zwangsläufig den Tod anderer Menschen in Kauf nehmen. [...]

Daß die AL sich nun gleichzeitig anschickt, gemeinsam mit den rechtsradikalen „Republikanern“ Herrn Momper zu stürzen, offenbart die ganze Irrationalität und Politikunfähigkeit dieser politischen Gruppierung, deren größtes Verdienst dabei auf der Strecke zu bleiben droht: die mutige und kompetente Umweltsenatorin Schreyer. Marcel Braumann, Würzburg

Sinking Deep-gen?

Dem Druck der „Basis“ nachgegeben und sich nicht ins bürgerliche Lager geschlagen. Brav.

Eberhard&Co. in den Startlöchern dürfen Morgenluft wittern. Derweil Momper die Brandenburgischen Konzerte auflegt und mit Gelassenheit alles den Bach runtergehen läßt. Heinz Kreil, Trier

Herr Momper, [...] auch wenn ich in München lebe: Ich liebe Berlin und verbinde mit Berlin die Chance zum Aufbau einer Stadt, die von Mut und Selbstbewußtsein lebt, die um die alten Todesstreifen herum Experimente wagt und neue Wege geht. [...] Wo wir lernen, andere Lebensformen und Ansätze als Chance zu begreifen, nicht als Bedrohung. Statt dessen lassen Sie gnadenlos räumen. [...]

Ist das Ihre sozialdemokratische Antwort auf den Versuch, Existenz jenseits der Beherrscher-Mentalität einer Gesellschaft aufzubauen, die von Sachzwängen spricht und Selbstvernichtung meint? [...] Die sich über zwei sich im Fenster küssende Männer offensichtlich mehr aufregt als über zunehmende Gewalt gegen AusländerInnen, Linke, Schwule und Lesben und andere, die gerade zur falschen Zeit am falschen Ort stehen...

Die besetzten Häuser: Warum werden Verhandlungen verschleppt, warum werden potentielle PartnerInnen so demonstrativ für dumm verkauft? Und noch ein Haus räumen und noch eins, die Häuser gegeneinander ausspielen. [...] Entsolidarisierung heißt das in Ihrer Sprache. [...]

Rechneten Sie ernsthaft damit, daß wir Grünen unsere Vorstellung von Gerechtigkeit und Solidrarität verraten, nur damit reaktionäre Medien Sie als teutschen Helden wider das Chaos feiern können, daß Sie selbst heraufbeschworen?

Sie, Herr Momper, reden von Mördern, nicht von Betrogenen. Sie exekutieren Sehnsüchte, statt sie ernstzunehmen. Der Vermittlungsversuch selbst eines Pfarrers ist Ihnen keinen Pifferling wert. Der Koalitionspartner wird nicht einmal konsultiert.

Während Tausende anderer Häuser verrotten, müssen gerade jene daran glauben, die in mühevoller Kleinarbeit renoviert werden sollen, deren BewohnerInnen sich ursprünglich nicht gegen ihre Truppen sicherten, sondern gegen den möglichen Ansturm faschistischer Schlägertrupps? Die SPD auf der Seite der Spekulanten, der Wohnungsdealer?

Wir, Herr Momper, sind an der Seite jener, die radikal träumen. Nicht an der Seite derer, die gemeinsame — rot-grün vereinbarte — Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Menschlichkeit verraten. [...] Andreas Neunert,

Bundestagskandidat der Grünen,

München-Mitte