Fast-Food als Freiheitssymbol

■ Zur Veränderung der Eßkultur in Spanien EUROFACETTEN

In Spanien gibt es seit einiger Zeit einen gefährlichen Aufschwung der Hamburgerläden vom Typ Burger King und McDonalds. Die Selbstbedienungsrestaurants zeichnen sich unter anderem dadurch aus, daß man dort immer alte und schlechte Speisen zu sich nimmt. Das hängt damit zusammen, daß es keine Umstellung der Küche gegeben hat: Das Fast Food muß normalerweise aus besonderen Speisen zusammengestellt werden, die es ertragen, im vorhinein zubereitet zu werden. Stattdessen werden jedoch traditionelle spanische Speisen (Paella, gebratene Blutwurst) angeboten, die nach Fast-Food-Methoden zubereitet und dadurch verdorben wurden. Daß sich diese Lokale trotzdem wachsender Beliebtheit erfreuen, hat mehrere Gründe.

In anderen Ländern geht man in ein Fast-Food-Restaurant, weil es billiger ist. Hier hingegen hat sich das Fast-Food in einen gesellschaftlichen Wert verwandelt. Es ist ein Symbol für Modernität und Fortschritt, und deshalb gehen die Yuppies z.B. mit Vorliebe in Selbstbedienungsrestaurants, selbst bei Arbeitsessen laden sie in solche Lokale ein. Auch unter Kindern haben sie einen großen Erfolg. Früher wurden bei Kindergeburtstagen oder Namenstagen andere Kinder nach Hause eingeladen und dort verköstigt. Jetzt hingegen bitten sie um Geld, und dann gehen sie alle zu einem Burger King oder einem McDonalds und essen dort einen Hamburger.

Die Veränderungen in den Essensgewohnheiten beschränken sich jedoch nicht auf Restaurants. Auch die Waren, die in den Läden angeboten werden, haben sich seit einigen Jahren rapide verändert. So kommen neben dem traditionellen Essen, dem Schinken, der Wurst etc. jetzt halbkünstliche Speisen auf den Markt, wie etwa Mortadella, die mit der italienischen Mortadella nichts gemein hat und nach überhaupt nichts schmeckt.

In Europa haben die Leute, als 45 der Krieg zuende ging, statt mit Hostien mit Coca-Cola das Abendmahl eingenommen, denn das amerikanische Heer hatte uns vor dem faschistischen Terror gerettet. In Spanien hat aber das frankistische Regime noch jahrelang überlebt. Das heißt, als die amerikanischen Waren hierherkamen, waren sie auch Symbole für eine andere, eine freiere Lebensweise. Als die Demokratie in Spanien einzog und die Regierungspolitik Werte wie die Moderne hervorhob — das ist eine der Standardformeln von Felipe Gonzalez — da kam noch der Europa- Komplex dazu, der besagte, Spanien sei Afrika, und Europa höre an den Pyrenäen auf. Der sozialistischen Regierung ist es gelungen, hier den Mythos Europa einzuführen und den Multis Tür und Tor zu öffnen. Fast der gesamte spanische Lebensmittelmarkt ist inzwischen in Händen ausländischer Firmen. Doch der hiesige Europäismus basiert auf einem Irrtum, denn was hier unter Europa verstanden wird, ist in Wirklichkeit Amerika. Madrid ähnelt viel mehr den amerikanischen Großstädten als den europäischen. Mit Rücksicht auf den in der spanischen Bevölkerung weitverbreiteten Antiamerikanismus wird unter dem Deckmantel der europäischen Kultur amerikanische Kultur verkauft.

Eine andere Veränderung, die die Einführung von Fast-Food mit sich gebracht hat, bezieht sich auf die Zeit, die man mit dem Essen verbringt. Euskadi ist da eine Ausnahme, die sind in jeder Hinsicht ziemlich resistent. Wenn man dort in einem Restaurant auf einen Tisch wartet und denkt, die Essenden sind gleich fertig, dann hat man sich schwer getäuscht, denn dann rauchen sie erstmal eine Zigarre, unterhalten sich, bestellen einen Kaffee, dann bestellen sie noch einen Weinbrand und so weiter. Früher war auswärts zu essen ein Ritual — nicht nur in Euskadi. Heute hingegen ist es eine Notwendigkeit, denn man wohnt in Schlafstädten und kann während der Mittagszeit nicht nach Hause. Und selbst wenn zu Hause gegessen wird: Da kommen die Eltern spät von der Arbeit, die Kinder müssen früh wieder in die Schule, und das gemeinsame Essen verliert sich immer mehr.

Das traditionelle spanische Essen war eine sehr langweilige tägliche Mahlzeit — jeden Abend dasselbe. Unterbrochen wurde diese Eintönigkeit jedoch durch aufwendige Riten, in denen aufgefahren wurde, etwa auf den Dorffesten, beim Namenstag des Vaters etc. Heute ist das tägliche Essen zwar wesentlich besser als früher, mehr Fleisch, mehr Obst, aber das ist eine quantitative Verbesserung, denn die Lebensmittel selber sind schlechter geworden. Gleichzeitig sind die großen Riten weggefallen. Jesús Ibanez

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universidad Complutense von Madrid