Fromme Gesetze sollen Regierung absichern

Israels Premier Schamir will Orthodoxe durch Pornographie- und Schweinefleischverbot an sich binden  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Am vergangenen Wochende ist mit der „Agudat Jisrael“ eine weitere religiös-orthodoxe Partei der rechtskonservativen Regierungskoalition von Ministerpräsident Schamir beigetreten. Ob dieser Zuwachs — Schamir verfügt nun über 66 der 120 Knessetmitglieder — freilich die Rechts-Regierung stärken und ihren politischen Handlungsspielraum bedeutend erweitern wird, bleibt zweifelhaft. Denn mit dem Regierungsbeitritt einer weiteren Minipartei dürften sich einerseits die politischen Differenzen zwischen den kleinen Koalitionsfraktionen weiter zuspitzen. Und andererseits wird es für den Likud-Vorsitzenden Schamir zunehmend schwieriger, immerfort repräsentative Posten und lukrative Pfründe für neue Regierungspartner zu ersinnen.

Um die Orthodoxen zu ködern, versprach Schamir, vier den Orthodoxen genehme religiöse Gesetze in der Knesset bestätigen zu lassen. Die ersten beiden fanden bereits am Dienstag in erster Lesung eine knappe Mehrheit in der Knesset, dem israelischen Parlament. Das erste Gesetz, eine verschärfte „Lex Sabbat“, schränkt den öffentlichen Verkehr am Samstag, dem jüdischen Wochenfeiertag, weiter ein. Ein weit schlüpfrigeres Thema hat das zweite Gesetz zum Inhalt: Pornographie. Vor allem angeblich pornographische Darstellungen auf Plakaten und Werbeanzeigen soll so per Strafgesetzbuch der Garaus gemacht werden. Mit sechs Monaten Haft muß von nun an jeder pornographische Übeltäter rechnen. Was indes unter Pornographie zu verstehen ist, liegt im moralischen Ermessen des jeweiligen Richters.

Frau Liova Eliav von der Arbeiterpartei beantwortete die Frage, was denn nun Pornographie sei, auf ihre Weise — und rezitierte Verse des Alten Testaments: „Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonnen! Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmenbaum und deine Brüste gleichen Weintrauben.“ Orthodoxe Knessetmitglieder, ansonsten tief ergriffen vom Klang der alten Verse, reagierten diesmal allerdings mit wütenden Protesten. Ein Vertreter von Agudat Jisrael brach gar in Tränen aus. „Es ist Gotteslästerung und Antisemitismus“, meinte er in einem Moment der Fassung, „solcherart aus der Bibel vorzutragen.“ Linke und liberale Knessetmitglieder wiesen dagegen darauf hin, daß 80 Prozent aller Israelis nicht-orthodox seien, sich aber dem Diktat der Religionsparteien unterwerfen müßten.

In der Tat, vor allem den israelischen Frauen steht ein weitreichender Unterwerfungsakt ins Haus. Denn neben dem geplanten Verkaufs- und Verzehrverbot von Schweinefleisch signalisierte Schamir dem neuen Koalitionspartner seine Bereitschaft, die Zahl legaler Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren. Gegen dieses Gesetzesvorhaben haben bereits fünfzehn Frauenorganisationen vehementen Einspruch erhoben. Nach Angaben des Vorsitzenden der Organisation für Sozialfürsorge, Eli Ben-Gera, gab es 1989 in Israel 15.000 legale Abbrüche. Dazu kamen noch mindestens 6.000 illegale Abtreibungen. „Dieses Gesetz“, so Ben-Gera, „wird nur dem ,schwarzen Markt‘ für Abtreibungen nutzen.“ Ins gleiche Horn stieß die Vertreterin einer Frauenorganisation: „Gerade ärmere Frauen, die sich keine medizinische Indikation und keinen privaten Gynäkologen leisten können, werden nun wieder in die Illegalität von ,Engelmacherin‘ und Hinterzimmer getrieben und müssen um ihre Gesundheit oder gar ihr Leben fürchten.“