Alte Suppe, aufgekocht

■ Aber noch recht schmackhaft: „Blood, Sweat & Tears“ im Modernes

Wer wg. „Blood, Sweat & Tears" ins Mix geschaut hat, wird seinen Augen nicht getraut haben: Ein wunderbar jung gebliebener David Clayton-Thomas guckt einen da an, umrahmt von smilenden Hippietypen. Irgendeiner muß da furchtbar tief im Archiv gegraben haben.

Aber dann: Neun Mann auf der Bühne des Modernes, mancher Wohlstandsbauch dabei, manche lange Mähne, wie's wohl gerade hip ist unter Mittvierzigern. David Clayton-Thomas stapft herein, von den alten „Blood, Sweat & Tears“ der einzig Verbliebene: die Pfunde in eine Art scheußlichen Jogging-Anzug gezwängt. Und fängt an mit „Smiling Faces“...

Nichts Neues unter den Scheinwerfern. Aber er ist ein charmanter Bursche und hat immer noch eine grandiose Bluesstimme. Und die Bläsersätze kommen knackig und präzise, der neue Bassist ist ein Funk-Feger, und der kleine Glatzkopf an der Gitarre (Clayton-Thomas: „Our sex-symbol. A dirty job, but someone's got to do it.“) zieht relaxed alle Register zwischen Blues und Heavy.

„And when I die“, „Gimme that Wine“, unvermeidlich „Hi De Ho“, die überladene Prokofieff-Monk-Winwood-Adaption „40.000 Headmen“, aber auch, ein Höhepunkt, Billie Holidays „God bless the Child“, mit feinem Sax-Solo von Wayne Schuster. Das historische Material dieser Mittsiebziger-Formation läßt ja den Bläsern reichlich Raum, sich über Walking-Bass-Linien darzustellen. Auch die anderen drei konnten hier restlos überzeugen: Steve Guttmann (Trompete), Jerry Sokolov (Flügelhorn) und Charley Gordon (Posaune).

Clayton-Thomas versuchte nicht, sich als großen Tip für die Neunziger zu verkaufen, er führte seine Dauerbrenner in durchaus geschmackvollen Rückblicken vor, bevor sie wohl endgültig im großen Rockmuseum abgelegt werden.

Nach neunzig Minuten dann: Licht an, Gig aus, trotz Protesten aus dem Publikum. Ein echter Profi, der dicke David.

Rainer Köster