Klöckner streikt am Mittwoch

■ 2.000 auf außerordentlicher Betriebsversammlung / Stimmung aufgeheizt

Am nächsten Mittwoch stehen Räder und Hochöfen der Stahlbetriebe in Nordrhein-Westfalen, Salzgitter, Osnabrück und Bremen „mindestens eine Schicht“ lang still. Das hat die Große Tarifkommission der IG-Metall gestern bekanntgegeben. Falls auch dies keine Wirkung hat, soll als letztes Mittel zur Urabstimmung und unbefristetem Streik aufgerufen werden. Hintergrund: Auf die Forderungen nach 10 Prozent mehr Lohn, der 35-Stunden-Woche und familienfreundlichen Arbeitszeiten gab es von Arbeitgeberseite bisher kein ernstzunehmendes Angebot.

Zu einer außerordentlichen Betriebsversammlung, die gestern kurzfristig einberufen wurde, erschienen gut 2.000 Beschäftigte. Trotz frostiger Temperaturen in der ehemaligen Produktionshalle vom Warmwalzwerk 1 war die Stimmung aufgeheizt. „Da muß man mal richtig auf den Putz hauen“, kommentiert Norbert Tkaczyk, Stahlarbeiter am Hochofen.

Vom orangefarbenen Laster, der kurzerhand in ein Podium umfunktioniert wird, berichtet Betriebsratsvorsitzender Peter Sörgel von der letzten neunstündigen Verhandlungsrunde. Als Gegenleistung für Arbeitszeitverkürzung, so hatten die Firmenvertreter gefordert, sollten die Beschäftigten auf zusätzliche Ausgleichsfreischichten für Nachtarbeit verzichten. „Mit solchen Angeboten können die uns gestohlen bleiben“, schimpft Sörgel.

„Die Arbeit ist nicht nur hart und beschissen, sie wird auch beschissen bezahlt“, faßt ein Stahlarbeiter die aktuelle Situation bei Klöckner zusammen. Spitzengehälter (Schichtzulagen eingeschlossen) liegen bei Klöckner um monatlich 3.500 Mark brutto. Der normale Grundlohn beträgt allerdings nur 2.700 Mark. „Im Vergleich zur metallverarbeitenden Industrie liegen wir drei Prozent im Rückstand“, sagt Werner Wilcke, Betriebsrat für den Bereich Hochöfen. Gleichzeitig seien die Leistungsanforderungen gestiegen.

Ein Indiz dafür: Monatlich schieben die Kollegen neben ihrer normalen Arbeitszeit 25.000 Überstunden. „Wir wollen Arbeitszeitverkürzung ohne Extra- Arbeit“, betont Wilcke.

Die Geschäftsleitung, die ebenfalls zur Versammlung erschienen war, hat Bedenken. Die Situation in der Stahlbranche sei weiterhin schlecht. Noch immer müsse der Betrieb „die Wunden der Vergangenheit“ heilen, erklärt Dieter Terlaak, Vorstandssprecher von Klöckner:„Die Aktionäre haben schon lange nichts mehr gesehen.“ Deshalb sei das Forderungspaket der IG-Metall „unannehmbar“. Christiane Walterdorff, Betriebsrätin der Angestellten hilft seinem Gedächtnis etwas nach. „Soweit ich unterrichtet bin, wird den Aktionären im Mai 1991 eine Dividende von 10 Prozent ausgezahlt.“ Birgit Ziegenhagen