: So weit die Füße plagen — kein Fußfetischist in Sicht
■ Selbst im Porno taugt der Fuß nur verpackt als Objekt der Begierde/ Geschichtliches zum Thema Fußverehrung und Fußverkrüppelung
Füße aber sind nicht nur Quelle des Ekels, sie sind nicht nur für die Fußpflege da. Abgesehen davon, daß Füße wichtig und nützlich für die Fortbewegung sind, können sie auch zur Extremität extremer Anbetung und dreckigster Phantasien werden. Welche Ehre wird denn dem ideellen Überfuß [Überbein? - d.S.] heute noch gezollt und von wem? Hier einige Antworten aus frührer und heutiger Zeit.
Da erfuhr eine Frau, die in der Stadt eine Sünderin war, daß er in dem Hause des Pharisäers zu Tische liege; sie brachte ein Alabastergefäß mit Salbeiöl, trat weinend von rückwärts an seine Füße heran und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes, küßte seine Füße und salbte sie mit Salbeiöl. (Math. 7:4)
Ihr wurde damals großmütig von Ihm vergeben. Denn sie hatte sich demütig genug gezeigt und den Füßen des Herrn die gebührende Ehre gezollt. Eben die, die damals einem Fuß noch zukam.
Drop, drop slow tears, and bathe those beautiful feet, which brought from heaven the news and price of peace.
Der Fuß als Fetisch, als Heilsbringer, anbetungswürdig. Das durfte er allerdings nur selten und auch dann nur in bestimmten Zusammenhängen sein. Er durfte nicht lange bleiben, was er war. Begonnen damit hatten die Chinesen im Jahre 970 unter Kaiser Li Yu. Dieser forderte von seiner Lieblingstänzerin, sie solle sich beim Tanzen die Füße in weiße Seide binden, damit diese das Aussehen von zwei Halbmonden annähmen. Das sprach sich in China herum, zudem paßte es den Chinesen gut in ihr Konzept, daß anständige Frauen sich nicht vom Hause entfernen sollten, und so riefen sie den künstlich verkrüppelten Fuß zum Schönheitsideal aus. Eine Frau galt danach nur als begehrenswert, wenn sich ihre Fußgröße einer Lotosblüte annäherte. Je kleiner, desto begehrenswerter, denn dadurch wurde ihr Leidenswille für mögliche Heiratsanwärter ausgedrückt. Was sich — abgemildert allerdings — ja bis heute fortgeschrieben hat.
Only high heels are sexy, ya now fucker
Allerdings, wie auch heute wollte keiner den Fuß nackt sehn. Nur verpackt galt/gilt der Fuß plus Schuh als Sexsymbol (Fuß als Phallus). Kein Wunder. Hätten die Chinesinnen die Bandagen abgelegt und die eitrigen Fleischklumpen gezeigt, wäre der Effekt wohl derselbe wie bei einer Frau in Stöckelschuhen, die darunter ihre Hühneraugen, Blasen und Schwielen verbirgt. Selbst im Porno trägt sie immer hochhackige Schuhe — mit Krallenzehen und Fußpilz. Würde sie den Jungs ihre Füße zeigen, würde den Jungs wohl auch gründlich der Spaß beim Wichsen verdorben.
Bei Nachforschungen in Sex- Kaufhäusern wird klar, daß es keine wahren Fußfetischisten mehr gibt. Fetisch ist der lange Stiefel aus Leder oder Kautschuk, Fetisch sind die Pfennigabsätze und die weißen Pumps. Es geht um die Verpackung. Diese macht den Fuß erst zum begehrten Objekt. Von den Chinesinnen bis zur Renaissance, hin zu den derzeitigen Verpackungen. Es geht immer darum, ihn klein, zierlich und unzweckmäßig zu halten — als reines Luxusgut. Würde es sie geben, die wahren Fußfetischisten, sie hätten auch keine Freude, kein Buch, kein Bild, das den Fuß als solchen zeigt. Reihenweise stapelt sich die Literatur nur über Scheußlichkeiten. Früher schrieben sie noch Huldigungen über nackte Füße, wie Percy Bysshe Shelly.
And wherever the beat of her unseen feet, wich only the angels hear. (aus: The demon of the world).
Heute sind Füße entweder gar nicht mehr zu sehen, oder sie sind ausschließlich einem kleinen Kreis vorbehalten — nicht den Fetischisten — sondern den Dermatologen und Orthopäden. Diesen Darstellungen des »geliebten Objekts« würde ein Fetischist auch schwerlich Lust und Verlangen abgewinnen können.
Are we Hyperchinese?
Aber keiner gibt uns Bilder von großen, freien Füßen. Unser Fuß ist krank, scheußlich, häßlich anzusehen und schmerzhaft. Keiner will unsere Geschichten, die Geschichten der stolzen FußträgerInnen hören: It is better to die on your feet than to live on your knees. (Passionaria, Dolores Ibarrari) Annette Weber
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