Wirbel um Berliner Dioxinschleudern

■ AL fordert Abschaltung/ SPD ist alarmiert und wirft Ex-Umweltsenatorin Schreyer Versäumnisse vor

Berlin. Die Schließung der drei größten Dioxinschleudern der Stadt hat gestern die AL-Fraktion gefordert. Sie reagierte damit auf einen taz-Bericht von gestern, wonach die beiden Reinickendorfer Firmen Gottschol und Bewalz sowie die Lichtenberger Müllverbrennungsanlage die drei größten Emittenten des Seveso-Giftes in Berlin sind. Auch die SPD-Fraktion sprach von »alarmierenden Ergebnissen« und forderte den Senat auf, »unverzüglich Konsequenzen« aus der hohen Dioxinbelastung in Berlin zu ziehen. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Behrendt erklärte, die Landesregierung müsse »schnellstens nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen einen konkreten Zeit- und Stufenplan zur Nachrüstung aller stark dioxinemittierenden Anlagen entwickeln«. Die ehemalige Umweltsenatorin Schreyer hätte hier »längst handeln müssen«, fügte Behrendt hinzu.

Derartige Schritte seien unter Schreyers Ägide bereits eingeleitet worden, versicherte Klaus Kundt, Sprecher der jetzt SPD-geführten Umweltverwaltung. Schon »vor längerer Zeit« seien in der Umgebung der beiden Berliner Aluminiumgießereien Messungen gestartet worden. Auch der Einbau von Filtern sei bereits im Gange. Der Müllofen in Lichtenberg werde spätestens 1993 umgerüstet oder stillgelegt, Sanierungskonzepte für die Anlage seien in Arbeit. — Dem AL-Abgeordneten Hartwig Berger war das gestern zuwenig. Er verlangte eine »sofortige Stillegung« des Müllofens. Die Alugießerei Gottschol sei nicht nur als Dioxinquelle »untragbar«, sondern auch wegen der von ihr ausgehenden »allgemeinen Luftbelastung und der extrem hohen Energieverschwendung«. Berger forderte, alle Aluschmelzen aus dem Stadtgebiet auszulagern. »Fehl am Platze« sei auch das Tegeler Stahlwerk der Bewalz. Es könne nach Hennigsdorf verlagert werden, schlug Berger vor. Denn: »Angesichts der hoffnungslosen Überproduktion der Stahlbranche ist die Selbstvergiftung Berlins durch die Bewalz nicht nur verantwortungslos, sondern auch wirtschaftspolitisch absurd.«

Während von der Bewalz-Geschäftsführung gestern keine Stellungnahme zu bekommen war, reagierte Dirk Becker, der Werkleiter von Gottschol, verärgert. Das von der taz gestern zitierte Gutachten sei seiner Firma bisher »nicht vorgelegt worden«, beklagte sich Becker. Die Behauptung, seine Firma sei die größte Dioxinquelle der Stadt, sei auf jeden Fall »absolut grundlos«. Wie berichtet, stößt die Alugießerei Gottschol nach Angaben des Ingenieurbüros ITU jährlich 3,85 Gramm Dioxin und damit fast ein Viertel der gesamten Berliner Emissionen aus. »Wir sind dabei nachzuweisen, daß das nicht stimmt«, versicherte der Werkleiter, ohne dabei genaue Daten zu nennen. hmt