Aus für „Aktuelle Kamera“

■ DFF vor dem Ende/Sandmännchens Zukunft ungewiß/Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung

„Den ehemaligen DDR-Bürgern werden die Augen übergehen“, sagte eine Teilnehmerin resigniert, „trotz der hohen Fernsehgebühr von 19 DM bekommen sie ab dem 2. Dezember auf der ersten Frequenz des DFF das Gemeinschaftsprogramm der ARD zu sehen, das sie ohnehin schon empfangen können.“ Es ist richtig, die Zeiten, wo 80 Prozent der DDR-Zuschauer bequem fünf Vollprogramme sehen konnten sind bald vorbei. Denn der Einigungsvertrag mit seinem Paragraphen 36 sieht vor, daß es den Deutschen Fernsehfunk (DFF) in Adlershof spätestens ab 1992 nicht mehr geben soll. Die zentralen Strukturen müssen aufgelöst und in föderalistische umgewandelt werden. Daß es jetzt noch viel schneller geht, liegt einzig an den Finanzen, denn die bereits begonnene Regionalisierung kostet zu viel Geld. Was dann vom DDR-Fernsehen übrig bleibt ist einzig ein drittes Programm, Ost-3, das auf der zweiten Sendekette ausgestrahlt werden soll. „Mehr ist einfach finanziell nicht drin“, so Michael Albrecht, Intendant des DFF auf der Veranstaltung „Neue Länder — Neue Sender?“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Potsdam.

Auch den Hörern werden die Ohren übergehen, denn gleiches gilt für den Hörfunk an der Nepalstraße. Zwar wird es, so der geschäftsführende Hörfunkintendant Christoph Singelnstein, nationalen Hörfunk für das Gebiet der ehemaligen DDR geben, welche Sender das aber sein werden scheint vorerst noch ungewiß. Denn weder „DS-Kultur“, noch „Jugendradio Dt 64“ oder „Radio aktuell“ passen ordnungspolitisch in den Rahmen des föderativen Systems. Ob der „Kultur-Kanal“ oder der „Berliner Rundfunk“, der gegenwärtig dabei ist, sich auf das Sendegebiet Berlin zurückzuziehen, oder gar das Jugendradio die besten Überlebenschancen hat, wird die Zukunft zeigen.

Mit unterschiedlichen Begründungen plädierten die Referenten an diesem Wochenende für die Bildung von Mehrländeranstalten. Denn die sind politisch wechselnden Einflüssen gegenüber stabil, haben genügend Kapazität für Subregionalisierung und bieten vor allem die nötige finanzielle Grundlage für ein gutes Programm. Die Argumente schienen durchaus angebracht, gab es doch Stimmen, die der Meinung wahren Finanzen seien zweitrangig. Das große Problem der Neuparlamentarier besteht darin, ihre regionale Autonomie und ihre Interessen an eine unüberschaubare Anstalt abzutreten. „Wie können wir unsere gewonnene Identität politisch wahrnehmen?“ fragte denn auch besorgt ein Sorbe. Der Beschluß des NDR, in Zukunft auf einen Finanzausgleich für den SFB ganz zu verzichten, ist aber bereits als deutliches Signal verstanden worden, daß von den alten Anstalten keine finanzielle Unterstützung zu erwarten ist.

So ist man sich denn auch gegenwärtig einig, daß alles auf eine Mehrländeranstalt Berlin-Brandenburg hinausläuft. Mecklenburg-Vorpommern geht wahrscheinlich mit dem NDR zusammen, obwohl sich die Norddeutschen noch ein wenig zieren, hat man es doch gleich mit drei sozialdemokratisch regierten Ländern zu tun. Die ländliche Struktur der Flächenstaaten spricht aber für eine derartige Kooperation. Bei Thüringen waren sich die Experten bisher einig, daß dieses Land mit Hessen zusammengeht. Eine umfangreiche redaktionelle und technische Zusammenarbeit zwischen dem Hessischen Rundfunk und dem Thüringer Rundfunk sprach dafür. Seitdem aber Ex-Medienminister Gottfried Müller, jetzt CDU-Landtagspräsident in Erfurt, erklärte, daß er einen Verbund von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt favorisiere, könnnen die Planungsspiele neu beginnen. Der Traum der Sachsen von einer eigenen Landesrundfunkanstalt scheint damit wohl ausgeträumt. Denn 290 Millionen D-Mark, die an Rundfunkgebühren eingehen (abzüglich des ZDF-Anteils), sind für eine Einländeranstalt doch zu wenig. Liebäugelte Sachsen- Anhalt bislang mit Berlin-Brandenburg, so ist damit auch die rundfunkpolitische Orientierung dieses Landes höchst ungewiß. Ob das gestrige Spitzengespräch im Bonner Kanzleramt mehr Klarheit über die zukünftige Rundfunkstruktur gebracht hat, war bis Redaktionsschluß nicht zu erfahren.

Die Zeit drängt, so Axel Zerdick, der die Empfehlungen einer Sachverständigengruppe „Medienordnung“ vortrug, denn wenn die Länder, in deren Hoheit die Rundfunkpolitik liegt, nicht vor vollendete Tatsachen, sprich schlüsselfertige Anlagen, stehen wollen, muß schläunigst der medienpolitische Rahmen abgesteckt werden. Das Ganze ist so zu einem Wettlauf zwischen dem „Rentner aus München“ (wie der Rundfunkbeauftragte Mühlfenzel bezeichnet wurde), der die Überleitung des DFF auf die Länder vornehmen soll, und den Landesparlamenten geraten. Die für Medienfragen zuständige Beamtin aus Brandenburg sprach denn auch von einer „Findungszeit“, die man noch benötige. Aber bereits heute schon ist bei den Entwürfen zur Mediengesetzgebung „ein Durchgriff westlicher Parteien“ zu konstatieren.

Daß, wie so oft in letzter Zeit, die Vertreter der alten Bundesrepublik und diejenigen der ehemaligen DDR, nicht nur eine andere Sprache sprechen, sondern auch auf Grund ihrer Geschichte zu diametralen Einschätzungen kommen, wurde auch bei dieser Veranstaltung offensichtlich. Als Diether Huhn über seine zehnjährigen Erfahrungen als Mitglied des Rundfunkrates beim SFB berichtete und den offenen Lobbyismus forderte („wer Öffentlichkeit einführt muß auch die Hinterzimmer gestalten“), stieß sein Vorschlag auf Unverständnis. Die positive Erfahrung des Umbruches an so manchem runden Tisch, wo die Beteiligten zum ersten Mal erfuhren, was es heißt, im Geist des Gemeinwohls zu handeln, steht gegen die Erfahrung einer unverblümt interessengeleiteten, syndikalistischen Orientierung, wie sie sich in der Arbeit der westdeutschen Rundfunkräte herauskristallisiert hat.

Ob zwei oder drei Mehrländeranstalten, rein theoretisch können die neuen Sender 20 Prozent des Gemeinschaftsprogrammes bestücken. Vorerst ist aber nur an einen Anteil von fünf bis sechs Prozent gedacht. Dabei sein wird „Kessel Buntes“, das kostenintensive „Sandmännchen“ (bis zu 40.000 DM pro Sendung) aber, will der Intendant den Programmmachern mit besonderem Wohlwollen ans Herz legen. Angesichts von „Tagesschau“ und „Heute“, das ZDF soll auf einer neu geschaffenen „3. Kette“ gesendet werden, hat nun auch das letzte Stündlein für die „Aktuelle Kamera“ geschlagen. Stattdessen soll ein großes „Abendjournal“ zwischen 18.30 und 20 Uhr ausgestrahlt werden, das vornehmlich Regionales bringt.

Eine Diskussion über die Höhe der Programmanteile und darüber, welche Anstalten welche Anteile reduzieren, erscheint müßig, ist doch die Schonzeit für das öffentlich- rechtliche Fernsehen ohnehin bald vorbei. Denn wenn ab 1992, dank der europäischen Rundfunkordnung, das Fernsehen als Dienstleistung eingestuft wird, wird es kommerzelle Programme zu Dutzenden aus dem Äther regnen. Zwar erwartet man einen Schonraum für nationale Programme, aber, so Diether Huhn visionär, in zehn Jahren wird es nur noch ein öffentlich-rechtliches Programm geben. Karl-Heinz Stamm