Japans Pioniere auf dem Weg durch Osteuropa

Vor allem Ungarn und die CSFR sind für Banker und Unternehmer interessant/ Schlußlicht der Arbeitgeber-Hitliste ist die UdSSR  ■ Aus Tokio Georg Blume

„Zwischen Berlin, Prag und Budapest haben wir dann einmal die Zahlen zur Seite gelegt und nachgedacht. Und plötzlich wurde uns klar: Es wird ein großes Europa geben, ein aufregendes, ein positives und konstruktives Europa.“ Für einen kurzen Moment gerät der Osteuropa- Reisende Masaya Miyoshi ins Schwärmen. Selten genug mag es vorkommen, daß der Präsident von Japans einflußreichstem Unternehmerverband „Keidanren“ in solch hohen Tönen fremde Länder würdigt.

Denn im Nu findet Masaya Miyoshi zum vertrauten Wortklang des Tokioter Geschäftsmannes zurück: „Natürlich näheren wir uns den osteuropäischen Ländern auf unsere eigene, japanische Art und Weise. Unser Approach ist flexibler. Wir verfolgen zunächst allgemeinere, und scheinbar zweideutige Ziele, womit wir bei denen, die uns beobachten, oft Unzufriedenheit und Frustration auslösen.“

Masaya Miyoshi kann sich diese Zweideutigkeiten leisten, denn sein Wohlwollen verspricht Kredite und Investitionen in Milliardenhöhe. Der Keidanren-Präsident führte in diesem Herbst die bisher hochrangigste Delegation japanischer Industrieller, die Europas Osten bereiste, zu Gesprächen mit Bundesbank-Chef Karl Otto Pöhl und Polens Noch-Präsident Mazowiecki. In der CSFR trafen die fernöstlichen Großunternehmer mit Finanzminister Vaclav Klaus zusammen, in Ungarn mit Premierminister Jozsef Antall.

Das Ergebnis der japanischen Entdeckungsfahrt: „Keidanren- Missionen bringen gewöhnlicherweise keine konkreten Vorschläge mit nach Hause. Doch bei den führenden Mitgliedern hinterlassen sie tiefe Eindrücke. Und diesmal waren wir von unsere Gastgebern, allen voran Vaclav Klaus in Prag, tatsächlich stark beeindruckt.“ Masaya Miyoshi erteilt damit der CSFR und ihrem wirtschaftsliberalen Finanzminister Klaus seinen Segen. Der hat vielleicht nicht aufs falsche Pferd gesetzt.

Eine neue Sony-Fabrik in der Tschechoslowakei oder Ungarn? „Warum denn nicht?“ antwortet Sony-Chef Norio Ohga mit der Gelassenheit der ehemaligen Musikers und Komponisten. „Ich habe vollkommenes Verständnis für die Hoffnungen der Menschen in Osteuropa auf ein Joint-venture mit Sony. Für uns gilt dabei das Prinzip: Wenn die Osteuropäer Sony-Produkte kaufen wollen, dann wollen wir sie auf Dauer auch dort produzieren.“ Und damit verweist der Tokioter Elektro- König auf die in aller Welt mit großer Unabhängigkeit operierenden Sony- Niederlassungen. Bisher machte der populäre Elektronik-Konzern damit eine Ausnahme. Jetzt hoffen Tokioter Auslandsmanager, daß die von Sony erprobte „Globalisierungsstrategie“ als Schrittmacher für neue japanische Auslandsinvestitionen in Osteuropa wirken kann.

„Wir wollen in Maschinen und Einrichtungen investieren. Das sind die besten Investitionen. Und deshalb wollen wir japanische Unternehmen in diese Länder hineinführen.“ Hideo Ishihara, Deutschland- Kenner und Vize-Präsident der „Industrial Bank of Japan“, ist in diesem Jahr bereits zweimal durch Osteuropa gereist. Seitdem hat ihn die alte Missionsidee seines Geldhauses, des siebtgrößten der Welt, wachgerüttelt. „Die Industrial Bank war in der Geschichte immer die Bank, die sich um den Aufbau neuer Industrien bemühte. Wir glauben deshalb, daß unsere Erfahrungen beim Aufbau Japans zum Nutzen der osteuropäischen Länder sein können.“

Ishihara redet nicht nur schöne Worte. Bereits im Oktober konnte er in Wien ein Joint-venture mit der österreichschen Kreditanstalt beschließen, das seiner Bank Kontakte nach Ungarn und in die CSFR eröffnen soll. Und in dieser Woche hält Ishihara in Tokio ein Symposium zur Anwerbung japanischer Investoren für Osteuropa. Zudem erwägt Ishihara nicht nur Privatinvestitionen, sondern auch Kredite für Infrastrukturprogramme an die bedrängten Regierungen. Erstmals seit vielen Jahren zahlten japanische Banken vergangene Woche einen 400-Millionen-Dollar-Kredit an Moskau.

Freilich geben auch die neuen Osteuropa-Fans unter Tokios Chefmanagern zu, daß sie ihr neues Geschäft bei Null beginnen müssen. „Natürlich sind wir nicht froh darüber, daß die deutschen Banken bereits weit voraus sind und wir hinterherhinken,“ gesteht Hideo Ishihara ein.

In Unternehmen und der offiziellen Politik wird immer wieder auf die schlechten Krediterfahrungen mit lateinamerikanischen Ländern verwiesen und auf den nicht ausgestandenen Grenzstreit mit der Sowjetunion über die Kurileninseln. Da wird geklagt, daß die Deutschen in Osteuropa ohnehin das Ruder bereits an sich gerissen hätten, oder es ist schlichtweg vom russischen Chaos die Rede. Und so schwanken Japans Wirtschaftslenker zwischen Pioniergeist und Überheblichkeit.

Keidanren-Präsident Masaya Miyoshi hat eine Rangliste der für die Firmen interessantesten Länder aufgestellt. Hinter der ehemaligen DDR rangieren darauf die CSFR und Ungarn auf gleicher Höhe. Polen wirkt eher abschreckend. Noch weniger attraktiv sei Rumänien, und dann erst folge die Sowjetunion. Nun: Es geht eben nicht um Hilfe für die Ärmsten, es geht um den Gewinn für die Unternehmen.