Solidaritätseffekt

■ Durch den Rücktritt verschlechtern sich Labours Chancen

Die Labour Party hat mit Margaret Thatcher ihre größte Wahlkampflokomotive verloren. Umfragen vom vergangenen Wochenende haben ergeben, daß die Torys unter anderer Führung schlagartig Boden gegenüber der Opposition gutmachen werden. Bei verschiedenen Meinungsumfragen lagen die Konservativen mit Michael Heseltine an der Spitze sogar bis zu zehn Prozent vor Labour.

Oppositionsführer Neil Kinnock begrüßte das Ergebnis dennoch als „gute Nachricht“. Er wiederholte seine Forderung nach sofortigen Parlamentswahlen: „Die Konservative Partei ist tief gespalten. Sie kann sich nicht vom Thatcherismus lösen. Der Labour Party ist es egal, wer Thatcher-Nachfolger wird. Wir sind auf Parlamentswahlen gut vorbereitet und werden gewinnen.“

Doch auch Kinnock weiß, daß seine Chancen mit Thatchers Rücktritt gesunken sind. Die Labour Party hat am Dienstag einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung gestellt, der gestern nachmittag vom Parlament abgelehnt wurde. Dieser Antrag stieß bis gestern früh im Thatcher-Lager auf unverhohlene Freude, da man davon ausging, daß die Tory-Abgeordneten vereint den „Angriff von außen“ abwehren würden.

Dieser Solidaritätseffekt wäre Thatcher bei der Wahl um die Parteiführung am kommenden Dienstag mit Sicherheit zugute gekommen. Das wußte natürlich auch Neil Kinnock. Der Verdacht liegt nahe, daß mit dem Mißtrauensantrag Thatcher der Rücken in ihrer eigenen Partei gestärkt werden sollte.

Mit dem Ende der politischen Karriere Thatchers geht auch der Thatcherismus zu Ende. Ihr Nachfolger — sei es Heseltine, Hurd oder Major — wird Konsequenzen aus den Fehlern der Premierministerin ziehen und einen gemäßigteren Kurs in Hinblick auf Europa, die Kopfsteuer und die Wirtschaftspolitik einschlagen. Nach der Sozialdemokratisierung der Labour Party und dem zu erwartenden „Linksruck“ der Torys wird es für die Liberalen Demokraten, die sich bei den letzten Nachwahlen noch im Aufwind befanden, eng in der Mitte. Ihr Vorsitzender Paddy Ashdown sagte gestern jedoch: „Sie hat die richtige Entscheidung getroffen. Sie wird als eine der großen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Ich habe immer ihre Qualitäten bewundert, jedoch nie ihre Politik. Die Ära Thatcher ist vorbei.“ Sein Stellvertreter, David Steele, fügte hinzu: „Ihr Rücktritt war unvermeidlich. Sie war jedoch die letzte, die das erkannt hat. Sie hatte den Bezug zur Realität längst verloren.“ Raso