„Wer klagt, gewinnt“

■ Krankenhäuser zahlen rechtswidrig zu wenig

Etwa 5.000 Mark Schulden hat der Bremer Senat inzwischen bei Fritz Sellerhuhn, Mitarbeiter des St.-Jürgen-Krankenhaus. Er fordert bereits seit 1988, daß die Zeit, die er vor und nach der Arbeit fürs Umkleiden benötigt, als „Überstunden“ anerkannt und bezahlt wird. Die seit 1962 für den Krankenhausbereich geltenden Tarif-Bestimmungen geben ihm recht: „Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle“, heißt es im Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT). Für Beschäftigte im Gesundheitswesen, wo die Arbeitszeit mit dem Betreten der Dienststelle beginnt (z.B. Krankenhaus), bedeutet das: Umkleidezeiten fallen in die reguläre Arbeitszeit und müssen somit ganz normal entlohnt werden.

Die Praxis aber sieht anders aus. „In der Regel kommen die Kollegen zehn bis 15 Minuten früher, um sich vor Arbeitsbeginn die weißen Kittel anzuziehen“, sagt Sellerhuhn. Diese Zeit wird aber nicht bezahlt.

Erst zwei Jahre nachdem er seinen ersten Brief mit der Nachforderung abschickte, reagierte die Arbeitgeberseite. „Wenn ich denen nicht auf die Füße getreten wäre, würde ich heute noch warten“, schimpft er, „und inzwischen verjährt mein Anspruch.“ Auch jetzt erhielt er keine klare Antwort. Man könne noch nicht endgültig entscheiden, hieß es, weil erst „grundsätzliche Gespräche“ mit dem Senat und der Krankenkasse geführt werden müßten.

Daß ein gesetzliches Recht auf Entlohnung dieser „zusätzlichen Arbeitszeit“ besteht, begreifen jedoch immer mehr der Angestellten. Seitdem vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde (zuletzt im Januar), daß die tägliche Arbeitszeit von Krankenschwestern und Pflegern „beim Passieren des Haupteinganges“ beginnt und endet, gibt es bei der Bremer ÖTV einiges zu tun. „Uns liegen inzwischen 250 Einzelklagen vor“, erzählt Wolf-Dieter Rudolph, Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft. Das grundsätzliche Problem bei der Sache sieht er darin, daß es sich um „individuelle Ansprüche“ handelt, die jeder stellen und einzeln durchsetzen müsse. Seine Devise: Wer klagt gewinnt. „Ich gehe davon aus, daß alle Anträge durchkommen“, betont er. bz