Tanz den Weltschmerz

■ Auf dem Konzert von Anne Clark im Modernes roch es streng nach Kult

Ist doch toll, wenn frau/man bei lyrischem Wehklagen über „All the fighting, all the hatred, all the war“ erhaben an der Trostlosigkeit der Welt leiden und gleichzeitig zu ultracoolen Disco- Rhythmen abtanzen kann. Zum bombastischen Theaterdonner des Synthesizers und dem elegischen Seufzen von Cello und Violine passen Verse wie „they gather like dust upon a shelf“ wie die Träne aufs Auge.

Designer-Poesie plus working-class

Die lauten Stücke mit stampfenden Ostinati und die traurig schwebenden, bei denen die wenigen musikalischen Ideen durch anspruchsvolle Instrumentierung mit Streichern und Saxophon aufgeblasen werden: das sind die beiden musikalischen Tricks, in die Anne Clark ihre Designer-Poesie verpackt hat.

Zusammen mit der trotzig chicen Attitüde der „Working- Class-Dichterin“ hat sie damit einen gutfunktionierenden Kult zusammengebaselt. Beim Konzert im Modernes waren die durchgestylten, meist schwarz gekleideten Fans jedenfalls bei jeder neuen Variation des letztlich immer Gleichen ganz hin und weg. Und Anne Clark, die eher monoton in nur einer Tonlage ihre Verse rezitierte, war die ehrliche, pure Dichterin.

Daß sie recht überheblich mit dem Publikum umsprang und ihr „Thank you, you are so kind, thank you for your patience“ so geziert von sich gab, daß es fast beleidigend war, steigerte nur noch die Begeisterung.

Milan Kundera sagt über den „Homo Sentimentalis“: „In dem Moment, wo das Gefühl ein Wert ist, will jeder fühlen; und da wir gerne mit unseren Vorzügen prahlen, sind wir versucht, unsere Gefühle zu demonstrieren.“ Genau diesen Eindruck hatte ich bei Anne Clarks Auftritt: Auf und vor der Bühne feierten alle ihre schicke Empfindsamkeit, und wenn ich all das als prätentiös und peinlich humorlos empfand, bin ich natürlich nur ein unsensibler Klotz.

Willy Taub