Schlechte Zeiten für Journalisten

Die Folgen der US-amerikanischen Invasion für Panamas Pressefreiheit  ■ Von Euclides Fuentes Arroyo

Mit der Invasion Panamas am 20. Dezember 1989 durch US-amerikanische Truppen hat die Besetzung des Landes begonnen und einem Quisling-Regime an die Macht verholfen, das die Menschenrechte mit Füßen tritt.

Unter anderem brachten die US- Truppen sofort das Büro der Journalistengewerkschaft Panamas unter ihre Kontrolle; sie verließen das Gebäude erst mehrere Wochen später. Danach wurde ein Treffen des obersten Gremiums der Gewerkschaft bis zum 18. Januar verzögert, bei dem ein Protestschreiben gegen die Verhaftung ihres Generalsekretärs Baltazar Aizpurúa und gegen meine eigene Verhaftung verlesen wurde.

Wir waren beide am Morgen des 23. Dezember um 6.30 Uhr aus den Betten geholt worden. Aizpurúa ließ man nach wenigen Stunden wieder gehen, offenbar weil sein weißes Haar die Häscher davon überzeugte, man habe es nur mit einem harmlosen alten Mann zu tun. Aizpurúa fürchtete dennoch um sein Leben und bat sofort nach seiner Freilassung in der nicaraguanischen Botschaft um Asyl; dort blieb er über vier Monate lang, bis ihm nach intensivem Druck durch die Journalistengewerkschaft die Endara-Regierung freien Abzug gewährte. Er ging nach Mexiko und lebt dort bis heute im Exil.

Ich wurde durch den militärischen Geheimdienst verhört und fotografiert, meine Daten verschwanden in ihren Akten. Danach brachten sie mich in Handschellen in das Gefangenenlager Nuevo Emperador. Am darauffolgenden Tag wurde ich entlassen, da offenbar nichts gegen mich vorlag.

In den ersten Tagen der Invasion wurden außerdem die folgenden Journalisten verhaftet: Danilo Caballero, Ernesto Quijada, Antonio Graell, José Anel Urriola, Rubén Dario Murgas, Escolástico Calvo und Luis Martínez.

Calvo, zur Zeit Direktor der Verlagsgruppe Renovacion SA, und Martínez, Fernsehkommentator und Zeitungskolumnist, werden bis heute festgehalten, ohne daß die Gründe für ihre Haft oder die ungewöhnliche Verschleppung eines gesetzlichen Verfahrens öffentlich bekanntgemacht worden wären.

Am Nachmittag des 20. Dezember war der nationale Rundfunksender durch nordamerikanische Hubschrauber bombardiert und zum Schweigen gebracht worden; bei 'Radio Verbo‘ zerstörte Maschinengewehrfeuer die Antenne; wenig später wurden die Sender 'BB‘ und 'Onda Popular‘ durch Terroranschläge zerstört.

Soldaten brachen in die Redaktionsbüros der Wochenzeitungen 'Bayano‘ und 'Unidad‘ und der Zeitschrift 'Dialogo Social‘ ein; sie zerschlugen alles, was sie dort fanden und zogen mit den Archiven und Unterlagen wieder ab. Bis heute haben die Besatzungstruppen diese Dokumente weder zurückgegeben noch die Gründe für die Aktion bekanntgemacht. Die Zeitungen 'Criteria‘, 'Matuino‘ und 'La Republica‘, früher alle von der Gruppe Renovacion SA publiziert, sind jetzt in den Hände der Kollaborateure — eines der größten Beutestücke seit der Invasion.

Durch die erzwungene Schließung der Rundfunksender, den Konflikt über die Beschlagnahme der Renovacion-SA-Gruppe, den künstlich herbeigeführten Bankrott des zweiten Fernsehkanals und die Auflösung von (TV) Kanal 5 sind die Familien von unzähligen Journalisten auf die Straße geworfen worden. Hinzu kommt, daß über 100 Journalisten, die früher in den Presseabteilungen der diversen Ministerien beschäftigt waren, von der Regierung Endara, Arias und Ford entlassen wurden, und zwar als Reaktion auf die Einsparungsforderungen des Internatinalen Währungsfonds und der Weltbank.

Diese Verletzungen des Rechts auf Arbeit betreffen mehr als 200 Journalisten und ihre Familien. Da sie ohne Anstellung und Einkommen sind, können sie ihre Krankenversicherungen nicht mehr zahlen und haben daher kein Recht auf kostenlose medizinische Behandlung; die Ausbildung ihrer Kinder ist gefährdet und ebenso ihr Dach über dem Kopf.

Luis Bernal, früher Korrespondent bei Renovacion SA, freier Fotograf und Kameramann beim Fernsehen, hatte zusammen mit seiner Familie am meisten zu leiden: zweimal wurde er von Soldaten der Invasionstruppen verhaftet und mißhandelt. Der Gouverneur von Veraguas, seinem Heimatbezirk, hatte es für angebracht gehalten, Bernal als politischen Feind zu klassifizieren und terrorisierte ihn, während die ausländischen Truppen seinen Besitz beschlagnahmten. Bernal begriff bald, daß sein Leben in Santiago in Gefahr war und ging nach Panama-City, wo er heute praktisch im inneren Exil lebt.

Die von George Bush eingesetzte Regierung Panamas hat außerdem die Beschleunigung von Gerichtsverfahren gegen 30 Journalisten angeordnet. Dabei geht es um Leute, die seit langem die Einflußnahme der USA in panamaische Angelegenheiten kritisiert und sich dabei auch gegen die oppositionellen Clans (heute an der Macht) ausgesprochen hatten, deren Politik vor allem darin bestand, die USA ständig zur Invasion und zum Sturz Noriegas aufzufordern, um damit selber an die Macht zu gelangen. Am 17. Januar präsentierte der Anwalt Juan Martineau der Staatsanwaltschaft Dokumente, die gegen die 30 Journalisten Beschuldigungen nach dem Strafgesetzbuch erheben, wegen angeblicher „Verteidigung von Verbrechen“ und anderer Gesetzesbrüche. Zur Prüfung der Klage wird zur Zeit einer nach dem anderen dem Gericht vorgeführt. [Für einige der Namen siehe Kasten. Auch der Autor dieser Zeilen ist unter den Beschuldigten; Anm. Uta Ruge.]

In einem weiteren offiziellen Bericht fügt derselbe Anwalt diesen Namen noch den eines hochangesehenen panamaischen Journalisten und Schriftstellers hinzu, Joaquin Beleno, der in seinen literarischen Arbeiten Ausbeutung, Machtmißbrauch und Rassismus in der alten Panama-Zone durch die Amerikaner anprangerte. Beleno ist seit drei Jahren tot. Der Vorwurf, daß wir die Verfassung verletzten, den Präsidenten Endara beleidigten und die Bevölkerung zum bewaffneten Kampf gegen die Regierung und ihre amerikanischen Verbündeten aufhetzen, ist frei erfunden.

Zur Zeit werden in der Hauptstadt fünf Tageszeitungen vertrieben: 'La Estrella de Panamá‘, 'Crítica Libre‘, 'El Panamá América‘, 'La Prensa‘ und 'El Siglo‘. In ihrer regierungsfreundlichen Haltung gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen, nur selten erscheint Kritik am Machtmißbrauch der Regierung. Die alternative Presse, deren Wochen- und Monatszeitungen erscheinen, wenn das Geld es erlaubt, haben nicht die Mittel für eine Massenauflage. Daher fehlt der Mehrheit der Bevölkerung eine Nachrichtenquelle, die mit Besatzung und Marionettenregierung kritisch umginge.

Die Behörden versuchen mit vielen Mitteln, Journalisten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Gegen mehr als 30 Journalisten wurden Gerichtsverfahren eröffnet, und die Journalistengewerkschaft hat öffentlicn gegen die Verfolgung besonders ihrer leitenden Mitglieder protestiert. Die Telefongesellschaft „Intel“ läßt von den Anschlüssen der Gewerkschaft keine Auslandsgespräche mehr zu; obwohl das Gewerkschaftsbüro nur die letzte Rechnung schuldig geblieben ist, behauptet Intel einfach, seit Monaten würde nicht bezahlt.

Die Konsequenz all dessen ist die Selbstzensur von Journalisten und die Kontrolle der Kollaborateure über den gesamten Propaganda-Apparat. Am 1. Mai, dem internationalen Tag der Arbeiterklasse, wurde einer der Bodyguards des Präsidenten Endara erschossen, vermutlich von einem oder mehreren Offizieren. Die Berichterstattung hierüber ging nicht über einige Schlagzeilen hinaus, Journalisten fürchten Repressionen gegen jeden, der es wagen würde, die Hintergründe aufzudecken. Die angesehen Zeitung 'La Estrella de Panamá‘ kritisierte am 19. Juli gegen die Behandlung einer Mediendelegation, die das El-Renacer- Gefängnis besuchte. In diesem Gefängnis sitzen viele politische Gefangene und ehemalige Offiziere der entlassenen Armee. Die Journalisten durften keine Aufnahmen machen, geschweige denn mit den Gefangenen sprechen.

Miguel Antonio Bernal, politischer Kommentator im Rundfunk, wird bis heute die Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis verweigert mit der Begründung, er habe schriftlich darum zu ersuchen. Bernal wurde vor kurzem von US-amerikanischer Militärpolizei für sechs Stunden festgehalten; unter seinen Bewachern war, wie er sagte, auch der Mann, der ihn bei früheren Verhaftungen gefoltert hat. Die panamaische Journalistengewerkschaft hat gegen die Verfolgung ihrer Mitglieder und die Verfolgung des neugegründeten „Komitees zur Wiederherstellung der nationalen Souveränität“ durch Einheiten der US-amerikanischen Militärpolizei und sogenannte „Gesetzespolizei“ protestiert.

Im Juli besuchten zwei Delegierte des US-Repräsentantenhauses (Victor Johnson und Francine Marshall vom Subkomitee für westliche Angelegenheiten) Panama, um sich über die Lage zu informieren. Die Behörden hätten ihnen selbstverständlich allen Respekt vor der Freiheit des Wortes und die Unabhängigkeit der Journalisten in Panama zugesichert, erzählten sie mir. Aber diese Unabhängigkeit bedeutet nicht viel angesichts der Entlassung so vieler Journalisten. Und die Aussichten auf alternative Medien werden schlecht bleiben, solange auf oppositionelle Politiker Druck ausgeübt wird, nur ja nicht in diese Medien zu investieren.

Die Regierung gebraucht eifrig ihre staatlichen Monopole wie die Elektrizitätsgesellschaft IRHE und das Telefonnetz Intel als Druckmittel. So mußte beispielsweise 'Radio Millionaria‘ schließen, weil es seine Elektrizitätsrechnung nicht bezahlt hatte.

Die Journalistengewerkschaft protestierte vor einigen Monaten auch gegen das, was sich im Zusammenhang mit der Zeitung 'La Estrella de Panamá‘ abspielte. Deren Direktor, Thomas G. Altamirano Dugue, ging in den Untergrund, nachdem gegen ihn Vorwürfe erhoben wurden und seine Verhaftung angeordnet wurde; seitdem droht ein Anzeigenboykott, die älteste Zeitung des Kontinents (gegründet 1853) in den Bankrott zu treiben.

Im Januar gründete der Importunternehmer Orlando Mocci die Wochenzeitung 'El Sol‘; durch ökonomischen Druck der Regierung ging sie nach drei Monaten bereits wieder ein. Mocci hatte Kritik geübt an der Beschränkung von Öl- und Nahrungsmittelimporten — und Präsident Endara ist in genau diesem Sektor unternehmerisch aktiv.

Die Fernseh- und Zeitungsjournalisten unseres Landes tragen kräftig dazu bei, daß zur Zeit eines der traurigsten Kapitel in der Geschichte unseres Journalismus geschrieben wird; sie tun alles, um ja nicht den Riesen im Norden zu verstimmen. Sie haben zu den Übergriffen der Invasionstruppen geschwiegen und zur Entlassung vieler Verwandter von Opfern der US-Invasion durch das herrschende Triumvirat. Sie haben die Besetzung des Landes begrüßt und die Machtübernahme durch eine Regierung gerechtfertigt, die zu Schadensersatzforderungen an die Besatzer zu feige ist. Die offizielle Presse zeigte keinerlei Interesse an einer kritischen Recherche über die tatsächliche Zahl der Todesopfer der Invasion, und reproduziert weiterhin die Lügen des Commando Sur und der Sprecher der Besatzungstruppen.

Eine Ausnahme bilden die alternative Presse und einige kleine Rundfunksender, in deren Programmen Leute zu Wort kommen konnten, die über das sprechen, was während der Invasion wirklich geschah. Insgesamt jedoch werden die Aussichten für den panamaischen Journalismus von Tag zu Tag schlechter. Die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich zunehmend, die Regierung hat keine Vorstellung, wie sie damit zurechtkommen soll und wohl auch keine Ideen für eine nationale Regeneration Panamas. Es sieht nicht so aus, als ob irgendjemand willens oder in der Lage ist, in einen neuen Journalismus zu investieren, denn keiner wagt es, die regierungsfreundliche Presse herauszufordern.

Euclides Fuentes Arrayo ist der Stellvertretende Generalsekretär der panamaischen Journalistengewerkschaft.