„Ich spiele nochmal für die DDR!“

Die Handball-Frauen als letzte Diplomaten im blauen Trainingsanzug bei einer Weltmeisterschaft  ■ Von Hagen Boßdorf

Irgendwie ist es verrückt. Da dürfen noch zwei deutsche Frauen-Teams zur Weltmeisterschaft nach Südkorea fahren, aber die besten Handballerinnen bleiben trotzdem hier. 29 von ihnen wechselten in letzter Zeit von Ost- zu West-Vereinen. Darunter zwölf DDR-Nationalspielerinnen, die nicht mehr für die Ex-DDR und noch nicht für die Ex-BRD spielen dürfen. Es wollen also zwei Teams die Olympiafahrkarten lösen, die dann von ganz anderen deutschen Handball-Frauen entwertet werden.

Wie in alten Zeiten bereitete sich das letzte eigenständige Ost-Team auf eine internationale Meisterschaft vor. Im Trainingscamp Kienbaum vor den Toren Berlins traf sich eine Mischung aus unerfahrenen, jungen Mädchen und routinierten Frauen, die noch einmal das Nationaltrikot überstreiften, als die Mannschaft förmlich zusammengesucht wurde.

Katrin Mietzner zum Beispiel, eine 31jährige Juristin aus Frankfurt/ Oder mit 255 Länderspielen, war schon 1978 Weltmeisterin für die DDR und ist heute Kapitän der neuformierten Mannschaft. Auch sie wurde vom Auswahltrainer-Ost, Heinz Strauch, noch einmal angesprochen und hofft nun auf einen erfolgreichen Abschluß ihrer internationalen Laufbahn. Ebenfalls wie in alten Zeiten kommen alle Spielerinnen aus den fünf Sportklubs. Zwar wurde entgegen früheren Gepflogenheiten auch den Sportgemeinschaften die Pforte zur Nationalmannschaft geöffnet, der Dauerbelastung über mehrere Trainingslager und Turniere hielt jedoch keine Kandidatin stand. Übrig blieben jene, die aus traditionellen, familiären, beruflichen oder auch nur Gewohnheitsgründen ihren alten Vereinen treu blieben und damit nicht die Spielberechtigung für die Ex-DDR verloren. Dazu gehören die beiden Leipzigerinnen Anja Krüger (90 Länderspiele) und Kerstin Mühlner (153), die die Gelegenheit hatten, für die taz ihren Coach Strauch zu befragen.

Anja K.: Vergleichen Sie doch mal die 89er Auswahl mit der von 1990!

Strauch: Wir haben natürlich nicht mehr die Stars von damals, weil die uns ja gen Westen verließen. Aber konzeptionell — in Angriff und Abwehr — schätze ich uns jetzt stärker ein als vor der B-WM 1989.

Kerstin M.: Haben Sie als temperamentvoller Trainer Schlagworte, die Sie den Mädchen im Spiel zurufen?

Strauch: Ja, zum Beispiel: „Schließt die Lücken“ oder „Ruft euch an“. Aber ich weiß, worauf du anspielst. Ich habe schon gerufen: „Zieht euch doch lieber aus“ oder „Laßt die Hosen runter“. Das sind so Sprüche, die auch anders ausgelegt werden können und die ihr bitte nicht so ernst nehmen dürft.

Anja K.: Hat die WM-Vorbereitung mit uns eigentlich Spaß gemacht?

Strauch: Das war ja für mich als Trainer keine leichte Zeit, als mir eine Spielerin nach der anderen weglief. Aber von denen, die hier blieben, wußte ich wenigstens, daß sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Ich habe das wirklich nicht bereut und hoffe nun auf einen erfolgreichen Abschluß in Südkorea. Für beide Seiten.

Kerstin M.: Was nehmen Sie nach Seoul mit, um sich auch vom Handball abzulenken?

Strauch: Ein Buch. Und dann werde ich mir mit unserem Co-Trainer das Land anschauen. Na ja, und da gibt es noch ein paar andere ablenkende Sachen. Aber das müssen wir jetzt nicht so detailliert bereden.

Beide: Schade!

Detailliert wird Heinz Strauch wohl bald bereden müssen, wie es mit seiner Zukunft weitergeht. Am 8.Dezember will der Deutsche Handball- Bund (DHB) nach den Weltmeisterschaften entscheiden, wer die Auswahlmannschaften der Frauen in Zukunft betreuen wird. Während für West-Coach Weiler nur der A-Kader zur Debatte steht, würde sich Strauch auch mit den Juniorinnen begnügen.

Bei der B-Weltmeisterschaft in Dänemark 1989 gewann damals die BRD, die DDR wurde Dritter. Nun wird die Plazierung von Südkorea wohl mitentscheiden über Wohl und Wehe der beiden Trainer. Deshalb beteuert Kerstin Mühlner: „Ich spiele dort auch für unseren Trainer, damit er bessere Chancen auf den Trainerposten hat.“ Die Motivation des letzten Ost-Teams wird ohnehin eine erfolgsentscheidende Rolle spielen. Die DDR existiert nicht mehr, der Deutsche Handball-Verband (DHV), für den sie nun spielen, ist ebenfalls in Auflösung begriffen. Viele spielen daher, ganz anders als früher, mehr zu ihrem eigenen Vergnügen, aus Spaß am Handball.

Aber einige wie die Leipzigerin Kerstin Nindel erklären auch unmißverständlich: „Ich spiele dort noch einmal für die DDR. Das Land hat zwar seine miesen Seiten gehabt, aber eben auch seine guten, die wir als Sportlerinnen genossen haben. Ich spiele noch einmal für dieses kleine Land.“