Müllfestival in Cottbus

■ Protest gegen Abfallnotstand

Cottbus (taz) — Illustre Dreckhaufen fanden die Cottbusser BürgerInnen am Samstag beim Shopping in der Promenierzone ihrer Stadt vor. Um auf die unerträgliche Abfallsituation hinzuweisen, hatte das „Bündnis für Cottbus“ zum ersten Müllfestival rund um die Schloßkirche eingeladen. Ein mit Schmutz übelster Sorte garniertes Tarnnetz aus ehemaligen Stasi-Beständen und scheppernde Büchsenteppiche lieferten die Kulisse für öffentliches Müllsortieren, Colabüchsenwerfen sowie Informationen über Müllvermeidung und Biokompost. Die Cottbusser Stadtreinigung (Costar) präsentierte neue Mülltonnen zur getrennten Sammlung von Glas, Papier und Sperrgut.

Eine Mülltonne pro Woche, berichtet eine Passantin, hatten die sechs Familien in ihrem Haus noch im Sommer gefüllt. Mittlerweile stapele sich dank Einweg- und Mogelverpackungen die dreifache Abfallmenge. Allein den Abtransport zu sichern, spitzt der Umweltdezernent Burkhard Schöps das Problem zu, reiche nicht aus. „Spätestens im April 1991 ist die städtische Deponie in Saspow voll.“ Vorbereitet wird eine neue Deponiefläche — Kostenpunkt: eine Million Mark. Begonnen habe man mit der getrennten Lagerung von Bauschutt, der zu 60 Prozent für den Straßenbau aufbereitet werden soll. Das Unternehmen „Recom“, der zusammengestrichene Rest des im August '90 aufgelösten SERO-Betriebes, sammelt bereits wieder Papier und Glas getrennt ein. Doch die Glasfabriken, wie die Römerhersteller in Döbern, haben ihre Produktion heruntergefahren und nehmen kaum noch Altglas an. Das Altpapier wird zu Partnern nach Flensburg gekarrt, „weil die hiesigen Fabriken Altpapier zu Dumpingpreisen aus den USA beziehen“, so Klaus Mucha von den Cottbusser Grünen. Völlig ungeklärt, ergänzte Schöps, sei die Entsorgung von Weißblech und Sondermüll.

Zwei Vertreter von der Bezirksverwaltungsbehörde schienen diese Fakten weniger zu beunruhigen. Erleichtert registrierten sie, daß es bei einer symbolischen Müllwelle auf dem Trottoir blieb. Eigentlich hatten die Veranstalter vom Bündnis für Cottbus dazu aufgefordert, jeglichen Abfall auf dem Wege zur Schloßkirche zu sammeln und bei ihnen abzuladen. Statt dessen zogen es die meisten Cottbusser vor, in der SPD-Baracke mit Büchsenbier die Wahlreden des Altmeisters Brandt herunterzuspülen oder in dicken Plastiktüten die dreifach verpackten Schnäppchen nach Hause zu schleppen. Im nächstem Jahr sind sie mit durchschnittlich 150 Mark pro Haushalt für die Müllabfuhr, die bisher nur von Eigenheimbewohnern bezahlt wurde, dabei. Irina Grabowski